Frau Wei?k?ppel, wie steht es um die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Bremens?
Bremen hat aufgrund seiner Geschichte als Hafen- und Handelsstadt eine besondere Verbindung zu der ehemaligen Kolonie ?Deutsch-Südwestafrika“, dem heutigen Namibia. Obwohl es seit einigen Jahren eine St?dtepartnerschaft mit Windhoek, der Hauptstadt Namibias, gibt, mangelt es in unserem Stadtstaat an einem übergreifenden Erinnerungskonzept. Hierfür sind vor allem folgende Fragen relevant: In welcher genauen Verflechtung mit dem Kolonialismus in Namibia standen Bremer Kaufleute und Firmen, Institutionen und Akteure? Welche Geb?ude und Einrichtungen, st?dtische Infrastrukturen oder Namensbezeichnungen zeugen noch heute im Stadtbild von der kolonialen Epoche, die für Bremens Erfolg als Hafen- und Handelszentrum von zentraler Bedeutung war? Wie k?nnten die Zusammenh?nge für die ?ffentlichkeit heute sichtbarer gemacht und kritisch aufgearbeitet werden? Und welche Bemühungen um Wiedergutmachung und Vers?hnung gab es nach dem Ende der deutschen Kolonisierung im Jahr 1915 und nach der Unabh?ngigkeit Namibias seit 1990?
Was müsste aus Ihrer Sicht jetzt aktiv angegangen werden?
Erforderlich w?re der Ausbau der gesamten sozial- und kulturgeschichtlichen Forschung über diese bremische und deutsche Verflechtungsgeschichte. Dabei sollten auch die Kontinuit?ten in den Blick genommen werden: die Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg von antikolonialen Bewegungen bis hin zur Kolonialverherrlichung, die unter anderem im Nationalsozialismus wiedererstarkte. Die Verwicklungen zwischen kolonialen Menschen- und Weltbildern und nationalsozialistischen Ideologien wie der Rassenlehre, der Erbgesundheitslehre und dem Antisemitismus müssen in ihren Details rekonstruiert und transparent gemacht werden. Die bereits initiierte Herkunftsforschung zur ethnografischen Sammlung im ?berseemuseum sollte verst?rkt und die Ergebnisse kontinuierlich in der ?ffentlichkeit diskutiert werden.
Bisherige Vers?umnisse der Dekolonisierung von Personen-, Institutions- und Stra?enbezeichnungen sollten zum Gegenstand einer Erinnerungspolitik werden. Diese darf sich nicht in Umbenennungen und symbolischen Gesten ersch?pfen, sondern muss in eine breite Bildungsarbeit zum Kolonialismus in Bremen integriert werden. Das Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft der Universit?t Bremen kann dazu beitragen, hierfür die wissenschaftlichen Grundlagen zu schaffen.
Wie k?nnte ein postkoloniales Erinnerungskonzept für Bremen konkret aussehen?
Denkbar w?re das Konzept eines stadtweiten ?Erinnerungsparks“, der die verschiedenen Schaupl?tze miteinander in Beziehung setzt. Noch bestehende Spuren wie beispielsweise das Fries im Bremer Hauptbahnhof über den Tabakhandel – eine der ersten attraktiven ?Kolonialwaren“, mit denen Bremer Firmen Reichtum erzielten – müssten für die interessierte ?ffentlichkeit kommentiert und kontextualisiert werden. Warum beispielsweise hei?t eines der zentralen Einkaufszentren in der Bremer Innenstadt bis heute ??– ebenfalls unkommentiert – ?Lloyd-Passage“? Schlie?lich beruhte der Erfolg des Norddeutschen Lloyd wesentlich auf der Ausbeutung der Kolonien.
Wie kann das Gedenken an den V?lkermord in Namibia gest?rkt werden?
Am 11. August 2019 wird insbesondere an den kolonialistisch motivierten V?lkermord an Nama und Herero im damaligen ?Deutsch-Südwestafrika“ durch die deutsche Kolonialherrschaft erinnert. Das zugeh?rige Mahnmal im sogenannten Nelson-Mandela-Park in unmittelbarer N?he zum Bremer ?Elefanten“, dem Antikolonialdenkmal, ist vielen Bremer Bürgerinnen und Bürgern noch immer nicht bekannt. Es sollte auch im touristischen Stadtmarketing viel st?rker als ein zentraler Ort der Bremer Dekolonialisierungsarbeit beworben werden. Dazu geh?rt unter anderem eine bessere Hinweis-Beschilderung im n?chsten geografischen Umkreis zwischen Bahnhof, Bürgerweide und Bürgerpark. Auch regelm??ige Angebote durch professionelle Tourguides w?ren wünschenswert.
Zudem bedarf es der kontinuierlichen Pflege und eines st?rkeren Schutzes gegen Besch?digung und Verwahrlosung; die Informationstafeln zur gesamten Historie und Transformation des Erinnerungsparks um den Bremer ?Elefanten“ müssten umfassend erweitert, aktualisiert und ins Englische übersetzt werden. Hierbei w?re es wichtig, Expertinnen und Experten aus Namibia, vor allem Vertretende der Nachfahren der damaligen Opfer, in die Konzeption einzubeziehen. Die bislang aktiven Vereine und Initiativen um den ?Bremer Elefanten“ sollten für ihre ehrenamtliche Arbeit 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 ?ffentliche Anerkennung finden und durch den Bremer Senat mit angemessenen Ressourcen unterstützt werden.
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www.uni-bremen.de/kultur/personen/wissenschaftliche-mitarbeiterinnen/cordula-weisskoeppel/
Fragen beantwortet:
PD Dr. Cordula Wei?k?ppel
Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft
Fachbereich Kulturwissenschaften
Universit?t Bremen
Tel.: +49 421 218-67630
E-Mail: cweisskoeppelprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de