Liebe Lesende,
Bei der korrekten Verwendung der Begriffe ?Beeintr?chtigung“ und ?Behinderung“ kann es zu Unsicherheiten kommen, da sie umgangssprachlich oft synonym verwendet werden und vielen der Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten nicht bekannt ist. In der Diskussion über die Unterscheidung der Begrifflichkeiten begegnen sich verschiedene Perspektiven, die ihren Fokus jeweils anders setzen (z.B. auf die k?rperliche, individuelle oder die gesellschaftliche Ebene). Hinzu kommt, dass sich das Verst?ndnis von dem Begriff der Behinderung im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt hat.
Daher wollen wir in diesem Newsletter auf die grundlegenden Unterschiede zwischen einer Behinderung und einer Beeintr?chtigung nach dem aktuellen Verst?ndnis, das sich in den Disability Studies verbreitet hat, eingehen.
1. Beeintr?chtigung oder Behinderung? - Die Unterscheidung
Die Begriffe Behinderung und Beeintr?chtigung werden in der Alltagssprache h?ufig synonym verwendet. Dabei gibt es einen entscheidenden Unterschied. Wenn von einer Beeintr?chtigung gesprochen wird, dann wird der k?rperliche Aspekt der Behinderung in den Vordergrund gestellt. Eine Beeintr?chtigung kann ein fehlender Arm, eine chronische Krankheit, die eingeschr?nkte Sehkraft oder ?hnliches sein (vgl. leitmedien.de).
Hiervon zu unterscheiden ist die Behinderung. Die UN-Behindertenrechtskonvention definiert den Begriff der Behinderung wie folgt: Es gelten diejenigen Menschen als behindert, ?die langfristige k?rperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeintr?chtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern k?nnen“ (UN 2006, Artikel 1). Demnach wird der Blick von der einzelnen Person weg gerichtet, hin zur gesellschaftlichen Ebene und deren Barrieren für Betroffene. Der Begriff der Behinderung ist demnach umfassender, da er die soziale Ebene mit einschlie?t im Gegensatz zu der rein k?rperlichen Seite der Beeintr?chtigung.
Insofern sind die Barrieren in der Gesellschaft - auch Ableismus genannt - als Merkmal der Behinderung zu sehen und entstehen im Wechselwirkung mit den beeintr?chtigten Betroffenen. Es ist weniger die eingeschr?nkte Sehkraft selbst, die die betroffene Person beeintr?chtigt, sondern das Umfeld mit den zugeh?rigen Barrieren wie unleserliche Texte, Verkehrsschilder usw. Diese Unterscheidung von der individuellen, k?rperlichen Ebene der Beeintr?chtigung (englisch impairment) und der gesellschaftlichen Ebene (englisch disability) wird mit dem sozialen Modell der Behinderung beschrieben (vgl. K?bsell 2016: 90).
2. Barrierearmut als gesellschaftliche Aufgabe
?Durch diese Barrieren in der Gesellschaft wird aus einer individuellen Beeintr?chtigung eine Behinderung. Das Problem ist aber nicht die individuelle Person mit ihrer Beeintr?chtigung, sondern es sind die Barrieren in der Gesellschaft, die wir beseitigen müssen“ (Fisseler 2020).
Barrieren zu verringern ist somit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der vor allem Aufkl?rung eine wichtige Rolle spielt.
Wie bedeutend die Beseitigung digitaler Barrieren für Studierende im Hinblick auf eine gerechte Teilhabe an Bildungsangeboten ist, wurde in der Zeit der Corona-Pandemie erstmals ?ffentlich diskutiert und aufgrund der erh?hten Zahl der Betroffenen besonders deutlich.
3. Barrieren im universit?ren Bereich
Eine Barriere kann die Teilhabe Betroffener erschweren oder verhindern, wenn Materialien, Lehrveranstaltungen oder (virtuelle) R?ume nicht zug?nglich gestaltet sind.Im Kontext der universit?ren digitalen Lehre gibt es viele verschiedene Bereiche, in denen Barrieren auftauchen k?nnen, z.B.:
in Lehr-/ Lernmaterialien
in Vorlesungen und Seminaren
in Prüfungen bzw. Prüfungsformaten
auf Websites und Webauftritten
in Formularen
Es ist wichtig, dass Informationen auch im digitalen Bereich, für alle Menschen gleicherma?en zug?nglich sind. Lehrende haben in diesem Zusammenhang mit der Gestaltung ihrer Veranstaltungskonzeption sowie der Lehr-/Lernmaterialien eine besondere Schlüsselrolle, um Barrieren für Studierende zu vermeiden.
Wenn Sie weitere Informationen zu Barrierearmut oder Unterstützung bei der Gestaltung Ihrer barrierearmen digitalen Lehre, Ihrer Lehr-/Lernmaterialien, Formulare und Webauftritte ben?tigen, k?nnen Sie sich gerne an uns wenden. Denn jede verhinderte Barriere ist von Bedeutung und hilft dabei, die digitale Lehre Stück für Stück gerechter zu machen. Eine zug?ngliche (digitale) Lehre ist darüber hinaus für alle von Vorteil.
In unserem n?chsten Newsletter werden wir uns mit dem rechtlichen Rahmen von barrierearmer digitaler Lehre besch?ftigen und die Frage beantworten, inwieweit Hochschulen dazu verpflichtet sind, ihre Hochschullehre barrierefrei zu gestalten.
Quellen
Leitmedien: Begriffe über Behinderung von A bis Z, URL: Begriffe über Behinderung von A bis Z - Leidmedien.de
Fisseler, Bj?rn (2020): Barrierefreiheit und inklusive Digitalisierung, URL:
https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/barrierefreiheit-und-inklusive-digitalisierung
Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen (Hrsg.) (2018): Die UN-Behindertenrechtskonvention. ?bereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Amtliche deutsche ?bersetzung, Stand 2018.
K?bsell, Swantje (2016): ?Doing Dis_ability: Wie Menschen mit Beeintr?chtigungen zu ?Behinderten“ werden“, In: Fereidooni, Karim / Zeoli, Antonietta P. (Hrsg.): Managing Diversity. Die diversit?tsbewusste Ausrichtung des Bildungs- und Kulturwesens, der Wirtschaft und Verwaltung. Springer VS, Wiesbaden. 89-104.