?In der Wissenschaft geht es immer um neue Ideen, und es ist interessant, wie unterschiedlich die je nach kulturellem Kontext sein k?nnen“, sagt Peter Haddawy. Der Informatiker muss es wissen: Nach zehn Jahren an der University of Wisconsin-Milwaukee in den USA zog es ihn nach Thailand, erst als Konrektor am Asian Institute of Technology und seit 2014 als Professor an der Mahidol-Universit?t. Doch auch an der Universit?t Bremen forscht und lehrt er als Honorarprofessor. In seiner Arbeit st?rkt er Verbindungen: zwischen den beiden Universit?ten, zwischen unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen und zwischen Forschenden und Studierenden.
Eine Situation, wie sie fast alle kennen: die Kariesbehandlung beim Zahnarzt. Auf dem Stuhl der Patient, in seinem Mund Bohrer und Spiegel. Es kann losgehen – aber nicht in der Arztpraxis, sondern in der virtuellen Realit?t. Damit angehende Zahn?rzt:innen medizinische Prozeduren üben k?nnen, hat Peter Haddawy, Professor an der Faculty of Information and Communication Technology (ICT) der Mahidol-Universit?t, für sie ein virtuelles Trainingssystem entwickelt. Die Simulation ist authentisch bis ins Detail: So bietet der harte Zahnschmelz dem Bohrer 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 Widerstand als das darunterliegende, weichere Dentin. Die Studierenden bekommen au?erdem Feedback, ob sie den Spiegel richtig benutzen, denn per Eyetracking werden ihre Augenbewegungen verfolgt. ?Es war ein langer Weg, das alles zu programmieren“, resümiert Haddawy. Umso wichtiger war die Arbeit im Team, mit Siriwan Suebnukarn, Professorin für Zahnmedizin an der Thammasat-Universit?t in Thailand, und Gabriel Zachmann, Professor für Computergraphik and Virtual Reality an der Universit?t Bremen.
Das Projekt ist typisch für die Arbeit von Peter Haddawy, denn das Arbeiten zwischen Medizin und Informatik und über Landesgrenzen hinweg ist für ihn Alltag. 2016 kam er zum ersten Mal für einen Forschungsaufenthalt an die Universit?t Bremen, durch ein Fellowship am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst. Inzwischen ist er hier Honorarprofessor für Medizinische Informatik. Daneben hat er eine ganze Reihe weiterer Posten inne: Seit 2018 ist er Direktor des neu gegründeten gemeinsamen Forschungslabors zur Medizininformatik, der Mahidol-Bremen Medical Informatics Research Unit. 2021 wurde eine strategische Partnerschaft zwischen den beiden Universit?ten beschlossen – hier ist Haddawy Mitglied im Mahidol-Bremen Board, das die Partnerschaft weiter pflegt und ausbaut.
Konkret bedeutet das für Peter Haddawy, dass er jedes Jahr zwei bis drei Monate an der Universit?t Bremen verbringt. Hinzu kommen weitere Forschungsaufenthalte am Hanse-Wissenschaftskolleg. Der Informatiker hat sich im Nordwesten ein breites Netzwerk aufgebaut, nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre.
Mit Edge Computing gegen Malaria und das Denguefieber
Ein Beispiel hierfür ist eine Lehrveranstaltung, die er seit 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育eren Jahren mit Dr. Thomas Barkowsky, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Cognitive Systems, und Anna F?rster, Professorin für Kommunikationsnetzwerke, durchführt. Ihr gemeinsames Thema ist das Edge Computing: die Entwicklung von kleinen Computern, die Daten in sich speichern und auswerten, ohne Verbindung zu gro?en Servern oder Clouds. Was die Studierenden in der Veranstaltung lernen, hat einen ganz praktischen Hintergrund: in der Forschung zur Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria und dem Denguefieber, die von Mücken übertragen werden.
Gemeinsam mit Anna F?rster arbeitet Peter Haddawy an Computern, die erfassen sollen, wie viele und welche Mücken in einem bestimmten Gebiet unterwegs sind. Denn einige Mücken k?nnen nur Malaria, andere nur das Denguefieber übertragen – und wiederum andere keine der beiden Krankheiten. Um Mücken zu z?hlen und zu bestimmen, werden aktuell noch Methoden aus den 1960er Jahren eingesetzt, mit mechanischen Fallen und einer h?ndischen Auswertung. ?Mit Edge-Computern k?nnte man zum ersten Mal eine Datenerfassung und –auswertung im gro?en Stil durchführen“, erl?utert Peter Haddawy. So k?nnten Ausbrüche besser vorhergesagt und die medizinische Versorgung besser geplant werden.
Krankheiten früh erkennen – eine App macht’s m?glich
Haben sich Personen erst einmal angesteckt, helfen diese Computer natürlich nicht weiter. Doch für solche Situationen entwickelt der Informatiker andere Hilfsmittel. ?Gerade in l?ndlichen Gegenden von Thailand sind Krankenh?user auf Personen mit Denguesymptomen h?ufig nicht gut vorbereitet“, sagt er. Um ihnen die Diagnostik der Krankheiten zu erleichtern, startete Peter Haddawy ein Projekt mit Thomas Barkowsky und einigen seiner Studierenden. Sie entwickelten eine App, in der medizinische Angestellte Angaben etwa zur Dauer des Fiebers, zu ?belkeit und Muskelschmerzen sowie zur Thrombozytenzahl und anderen medizinischen Parametern von Patient:innen machen k?nnen. Die App ermittelt dann automatisch, inwiefern hinter den Symptomen das Denguefieber stecken k?nnte.
Doch Dengue ist nicht gleich Dengue: W?hrend sich manche nach etwa einer Woche wieder von Fieber, Hautausschlag und Muskelschmerzen erholen, entwickelt sich bei anderen das sogenannte Dengue-h?morrhagische Fieber – manchmal mit lebensgef?hrlichen Konsequenzen. Anhand der eingegebenen Gesundheitsdaten ermittelt die App auch, wie wahrscheinlich so ein Verlauf für die jeweiligen Patient:innen sind. So k?nnen Mediziner:innen leichter entscheiden, wer zur Beobachtung in der Klinik bleiben sollte. ?Mich hat beeindruckend, auf was für einem hohen Niveau die deutschen Studierenden programmieren k?nnen“, resümiert Peter Haddawy. ?Die App ist wirklich wunderbar geworden.“ Und hat sich in der Praxis bew?hrt: Im Krankenhaus für tropische Krankheiten in Bangkok wird sie bereits verwendet. Besonders gewinnbringend ist sie laut Haddawy in Gegenden, in denen das Denguefieber bislang eher unbekannt ist, denn die frühen Symptome ?hneln denen anderer fieberhafter Erkrankungen. Auch in Deutschland k?nnte sie in Zukunft zum Einsatz kommen, denn aufgrund des Klimawandels nehmen die Krankheitsf?lle hier zu.
Strategische Partnerschaft mit der Mahidol-Universit?t: Bereits Studierende profitieren
Das Projekt zeigt, wie bereits Studierende von der strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Hochschulen profitieren. Und weitere Beispiele gibt es viele: etwa die Deutschkurse an der Mahidol-Universit?t, die Studierende nutzen k?nnen, um sich auf einen Aufenthalt in Deutschland vorzubereiten. Rund zw?lf von ihnen kommen jedes Jahr für Forschungspraktika nach Bremen. Für Promovierende aus Thailand wird gerade das Christian Freksa-Stipendium aufgebaut, benannt nach dem inzwischen verstorbenen Bremer Informatikprofessor, der die Partnerschaft zwischen den beiden Hochschulen ma?geblich mit initiiert hat. Auch deutsche Studierende haben die M?glichkeit, für ein Auslandssemester oder ein Forschungsprojekt nach Thailand zu gehen. Und wer wei? – vielleicht ist das für einige von ihnen nur der Anfang einer internationalen Laufbahn wie der von Peter Haddawy.