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Robust und sensitiv: Wie Zellen die Balance wahren

Nr. 175 / 14. September 2017 KL

Netzwerke in biologischen Zellen sind Stress ausgesetzt. Sie k?nnen kollabieren, ganz ?hnlich wie überbeanspruchte Verkehrs- oder Datensysteme. Forscher der Jacobs University und der Universit?t Bremen haben in einer neuen Studie die Robustheit der verflochtenen Netzwerke aus der Genregulation und dem Stoffwechsel untersucht. Dabei haben sie erstmals die Theorie verflochtener Netzwerke auf biologische Zellen übertragen.

Die wechselseitigen Abh?ngigkeiten verschiedener Infrastruktursysteme sind eine potentielle Gefahr in unserer technologisierten Welt. Bahnfahrer kennen das: Eine St?rung im Nahverkehrsnetz kann Auswirkungen auf das Netz der Fernzüge haben. Eine Versp?tung droht. Ein Defekt in einem Netzwerk beeintr?chtigt die direkt abh?ngigen Knoten in dem anderen Netzwerk. Unter bestimmten Bedingungen kann es zu systemweiten Kaskaden von St?rungen und zum Zusammenbrechen des gesamten Systems kommen. In der statistischen Physik bezeichnet man einen solchen Punkt als Perkolationsschwelle.

Verflochtene Netzwerke gibt es auch in biologischen Zellen. Ihre Funktionsweise zu ergründen, ist von hohem medizinischen Interesse. Dennoch werden Gene und Stoffwechsel, die beiden gro?en Netzwerke der biologischen Zelle, trotz ihrer starken Wechselbeziehungen und gegenseitigen Abh?ngigkeiten gr??tenteils immer noch als getrennte Systeme untersucht.

Was brauchen Zellen um robust zu bleiben, wenn das genetische Netzwerk als regulatorisches System und die Versorgungsnetze des Stoffwechsels in Abh?ngigkeit stehen? In einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gef?rderten Kooperation zwischen der Jacobs University und der Universit?t Bremen haben Forscher jetzt Erkenntnisse aus beiden Netzwerken zusammengeführt. Sie analysierten die Robustheit dieser verflochtenen Netze am Beispiel eines biologischen Modellorganismus, des Darmbakteriums Escherichia coli. Die Arbeit wurde im renommierten Fachmagazin ?Nature Communications“ ver?ffentlicht.

?Unsere Untersuchung ist die erste quantitative Anwendung der Theorie verflochtener Netze auf die biologische Zelle“, sagt Marc-Thorsten Hütt, Professor für Computational Systems Biology an der Jacobs University. Zusammen mit Dr. Anne Grimbs von der Jacobs University und dem Team von Professor Stefan Bornholdt von der Universit?t Bremen hat Professor Hütt die Existenz von unterschiedlichen Perkolationsschwellen für St?rungen nachgewiesen, die in verschiedenen Netzwerkregionen lokalisiert sind. Auf diese Weise vermag das System die gegens?tzlichen Forderungen zu erfüllen, sowohl schnell auf ?nderungen der Umweltbedingungen zu reagieren als auch robust gegen systemische St?rungen zu sein.

Das Fundament für die Untersuchung ist ein akribisches Zusammenführen 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育erer gro?er Datenbanken zur Genregulation und zu Reaktionen des Stoffwechsels von Escherichia coli. Dr. Anne Grimbs war für diesen Teil des Projektes verantwortlich. Gemeinsam mit David Klosik aus der Arbeitsgruppe von Professor Bornholdt, der die statistischen Analysen durchgeführt hat, hat Grimbs dann die Anpassung der Perkolationsanalyse an das biologische System formuliert.

?Seit vielen Jahren analysiert meine Arbeitsgruppe neben biologischen Netzen auch Netze aus der Produktionslogistik. In der Logistik ist die Balance zwischen Robustheit und Effizienz natürlich ein riesiges Thema. Die interdisziplin?re Sicht hat uns an dieser Stelle geholfen, das biologische System besser zu verstehen“, sagt Professor Hütt. Daher hoffen die Forscher, diese Balance von Sensitivit?t und Robustheit auch in vielen anderen Systemen zu finden, in denen Regulation (wie im genetischen Netzwerk) und Versorgung oder Produktion (wie im Netzwerk des Stoffwechsels) in Abh?ngigkeit stehen.

Titel des Originalartikels in Nature Communications: “The interdependent network of gene regulation and metabolism is robust where it needs to be"

Kontakt:
Universit?t Bremen
Prof.Dr. Stefan Bornholdt
Telefon: +49 421 218-62060