T?nend Bewegtes h?ren. Der Einfluss musikformaler Informationen auf ?sthetische Evaluationsprozesse und die Wirkung von Musik
Unterscheidet sich die ?sthetische Bewertung und Wirkung von Musik in Abh?ngigkeit von der verarbeiteten Information zur musikalischen Form?
Diese Frage ist nicht nur im philosophischen und ?sthetischen Diskurs über Musik fest verankert. Auch allt?gliche Beobachtungen berühren diese Frage. Warum klingt ein Musikstück bei einem Konzertbesuch anders als dessen Mitschnitt? Warum scheint es gelegentlich so, dass Menschen, die sich über das selbe Musikstück austauschen, von v?llig verschiedenen Erlebnissen sprechen? Warum fordern manche Musikstücke viel Aufmerksamkeit, w?hrend andere Stücke genügsam im Hintergrund laufen k?nnen? Sollte ich mich beim Musikh?ren konzentrieren oder entspannen? Welche Reize verspricht komplexe Musik, die mir keinen intuitiven Zugang erm?glicht?
Erkl?ren lassen sich einige dieser Fragen mit der Kognitionstheorie: Aus der Vielzahl der aus der Umwelt aufgenommenen Informationen werden nur einzelne für die Weiterverarbeitung ausgew?hlt. Somit wird ein Eindruck von der Wirklichkeit individuell konstruiert. Je nachdem, welche Informationen aus der Umwelt ausgew?hlt und zu kognitiven Schemata erg?nzt werden, variiert der Sinneseindruck ein und desselben Objektes (Louven, 1998).
Andere Aspekte dieser Fragen berühren Debatten der Musik?sthetik, die bereits seit vielen Jahrhunderten geführt werden und h?ufig Zusammenh?nge zwischen dem ?sthetischen Erleben von Musik, bestimmten Weisen des Musikh?rens und insbesondere dem Einbeziehen musikalischer Form in den Rezeptionsprozess herstellen. So macht bereits Tinctoris im Traktat Complexus effectuum musices (Tinctoris, 1472, zitiert nach Schmid, 1986) zwei Rezeptionsweisen aus, welche nur gemeinsam zu Genuss führen k?nnen. Der ?u?erliche Modus greift auf die ?Kraft des Geh?rs“ (Tinctoris, 1472, zitiert nach Schmid, 1986, S. 153) zurück und erschlie?t dem Rezipienten ?den Reiz der Zusammenkl?nge“ (ebd.), w?hrend der innerliche Modus auf der Kraft der Intelligenz aufbaut und dem H?rer die ?Richtigkeit von Komposition und Wortvortrag“ (ebd.) erschlie?t. Hanslick (1854/2010) gilt mit seiner Schrift Vom Musikalisch-Sch?nen als bekanntester Vertreter der Autonomie?sthetik. Der ?Aufnahme von Musik“ widmet Hanslick (1854/2010) ein komplettes Kapitel. ?sthetische Wirkung kann Musik nur über ihren Inhalt, das sind ?t?nend bewegte Formen“ (Hanslick, 1854/2010, S. 59) entfalten. Assoziationen oder die aus der Dynamik von Musik hervortretenden Gefühle hingegen lenken den H?rer nur ab. Auch Adorno (1962/2016) differenziert in seinen strikt hierarchischen ?Typen musikalischen Verhaltens“ den ?ad?quat h?renden“ Experten, der ?dem Verlauf auch verwickelter Musik spontan folgt“ (Adorno, 1962/2016, S. 17) und dem sich Sinnzusammenh?nge sowohl aus dem Vergangenen, Gegenw?rtigen und Zukünftigen als auch aus dem harmonischen Gleichzeitigen spontan erschlie?en, von dem emotionalen H?rer. Scharf abgetrennt wird hierbei auch die Wirkung der Musik auf den H?rer beschrieben: W?hrend das H?ren von Musik für den ad?quaten H?rer durchaus auch mit ?Gefühl“ (Adorno, 1962/2016, S. 23) verbunden ist, wird dessen ?psychische Energie“ (ebd.) durch die Konzentration auf die Musik absorbiert. Bei dem sogenannten emotionalen H?rer fallen die Reaktionen deutlich ungehemmter aus. Nach Adorno wird dies allerdings nicht durch eine aktive Konzentration auf musikalische Informationen erreicht. Viel澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 wird Musik in diesem Fall lediglich zur ?Ausl?sung sonst verdr?ngter [. . . ] Triebregungen“ (Adorno, 1962/2016, S. 21 f.) benutzt.
Musikh?ren ist eine der beliebtesten Freizeitbesch?ftigungen. Es erfüllt im Alltag vielf?ltige Funktionen wie die Regulation von Selbstwahrnehmung, Stimmung und Erregungszustand sowie das Ausdrücken sozialer Beziehungen. Musik nimmt somit für das Wohlbefinden der Menschen einen gro?en Stellenwert ein (Sch?fer, Sedlmeier, St?dtler & Huron, 2013). Das Promotionsprojekt m?chte M?glichkeiten untersuchen, wie die Beziehung zwischen Mensch und Musik noch zu vertiefen ist, und besonders Wege aufdecken, wie Musik intensiv erlebt und genossen werden kann. Im musik?sthetischen Diskurs ist in den vergangenen Jahrhunderten h?ufig ein Zusammenhang zwischen ?sthetischem Erleben von Musik und einer auf die formalen Parameter in der Musik ausgerichtete Rezeptionshaltung postuliert worden, ohne dass eine Relation bisher auf empirischem Wege untersucht worden ist. Daher erscheint eine auf die ?sthetische Wirkung der Wahrnehmung musikalischer Formen ausgerichtete Untersuchung besonders vielversprechend und interessant. In diesem Forschungsprojekt sollen im Kontrast zu früheren Forschungsans?tzen keine Expertise-Effekte, also Vergleiche zwischen expertisierten und unerfahrenen Teilstichproben, untersucht werden. Viel澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 soll mittels sogenannter primes die Aufmerksamkeit der Probanden auf verschiedene Parameter in der Musik gelenkt werden. Primes stellen vorbereitende Eingangsreize dar, die die Verarbeitung von Zielreizen durch Aktivierung neuronaler Muster beeinflussen. Auf diese Weise werden bei der Wahrnehmung komplexer Stimuli wie Musik bestimmte Informationen bevorzugt im Verarbeitungsprozess selektiert.
Adorno, T. W. (2016). Typen musikalischen Verhaltens. In Einleitung in die Musiksoziologie. Zw?lf theoretische Vorlesungen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. (Original erschienen 1962)
Hanslick, E. (2010). Vom Musikalisch-Sch?nen. Ein Beitrag zur Revision der Asthetik der Tonkunst (22. Aufl.). Wiesbaden: Breitkopf & H?rtel. (Original erschienen 1854)
Louven, C. (1998). Die Konstruktion von Musik. Theoretische und experimentelle Studien zu den Prinzipien der musikalischen Kognition (J. P. Fricke, Hrsg.). Systematische Musikwissenschaft. Frankfurt am Main (u.a.): Peter Lang.
Sch?fer, T., Sedlmeier, P., St?dtler, C. & Huron, D. (2013). The psychological functions of music listening. frontiers in Psychology, 4, Article 511. doi:10.3389/fpsyg.2013.00511
Schmid, T. A. (1986). Der Complexus effectum musices des Johannes Tinctoris. In Basler Jahrbuch für historische Musikpraxis (Bd. 10). Winterthur: Amadeus.
Sebastian Winkler
Raum: GW2 4396
Telefon: +49 (0)421 218 67781
Email:winkler.sebastian[at]uni-bremen.de
Sprechzeiten: nach Vereinbarung
澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育