Sommersemester 2016

Hans-Günther D?bereiner, Universit?t Bremen

Abstract

Entscheidungen zu tre?en ist ein zentrales Element des Lebens. Dies gilt für alle Organisations?formen und Hierarchien unseres ?kosystems Erde. Wir Menschen tre?en bewusste Entscheidungen in unserem sozialen Umfeld. Tiere und P?anzen reagieren auf ihre Umwelt und agieren in ihr. Doch auch niedere Lebensformen ohne Bewusstsein, ohne Gehirn, ja sogar ohne Nervensystem sind in der Lage komplexe Entscheidungen zu tre?en. Ausgehend von einer bestimmten Situation charakteri?siert durch ihren Informationsgehalt, sowie raumzeitliche Randbedingungen ist ein Lebewesen im Allgemeinen bestrebt seinen Zustand zu optimieren. Sein Verhalten ist gepr?gt durch eine Abfolge von Entscheidungen, deren Erfolg oder Misserfolg je nach Ma? unterschiedlich bewertet werden. Abstrakt gesehen ist eine Entscheidung also ein logischer Prozess der bestimmten Ausgangsvaria?blen bestimmte Ergebnisse zuordnet, die eine Entscheidungsfunktion optimieren. Bestimmend für die Entscheidung ist die Struktur des Prozesses nicht die Lebensform. Um eine Entscheidung zu tre?en ist lediglich ein dem Grad der Komplexit?t der Entscheidung angepasstes System n?tig auf dem durch emergente Prozesse Entscheidungen getro?en werden. So gesehen ist es vielleicht nicht 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 so verwunderlich, dass sich das Verhalten von Schleimpilzen mit dem Vokabular der humanen Verhaltenspsychologie beschreiben l?sst. Kann man nun aus dieser empirischen Beobachtung die Existenz von universellen Mechanismen des Entscheidens ableiten? Dieser Frage wollen wir in der Ringvorlesung nachgehen. ?ber 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育ere Semester werden wir aus den unterschiedlichsten Fachge?bieten und Disziplinen h?ren wie sich Entscheidungen und L?sungswege darstellen. Eine Hypothese ist die, dass Entscheidungsprozesse im Allgemeinen durch die logische Verknüpfung von modularen Informationsinhalten nach simplen Heuristiken ablaufen.

Am Anfang sollen die Schleimpilze stehen. Es wird sich zeigen, dass viele Analogien zu den in der Ringvorlesung vertretenen Fachgebieten bestehen. Ich will Ihnen das adaptive Transport?netzwerk von Physarum polycephalum vorstellen, siehe Bild. Dieses Netzwerk besteht aus einzel?nen verknüpften Adern einer einzigen Zelle mit 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育eren Zellkernen, deren peristaltische, quasi?periodische Oszillationen die Zell?üssigkeit, das Zytosol, durch die Adern ?iesen l?sst. Mit dieser Netzwerkstruktur, die bis zu 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育eren Quadratmetern wachsen kann, gelingt es Physarum, die oben erw?hnten komplexen Optimierungsaufgaben zu l?sen. Mit anderen Worten, das Netzwerk entscheidet wohin das Plasmodium, d.h., der Zellk?rper, sich bewegen oder wachsen soll um Nah?rungspl?tze zu verbinden oder Gefahrenzonen zu meiden. Physarum kann den kürzesten Weg in einem Labyrinth ?nden und entwirft realen Bahnnetzen verblü?end ?hnliche, robuste und e?ziente Transportnetze. Darüberhinaus k?nnen Plasmodien periodische Events antizipieren und versehen es sich in r?umlich und zeitlich ?uktuierenden riskanten Umgebungen geschickt zu platzieren.

Ich m?chte Ihnen nach einer Einführung in die Welt der Schleimpilze kurz einige unserer eigenen Forschungsergebnisse vorstellen. Dabei wird es um simple Skalengesetze bei der Futtersuche, die Topologie als Ordnungsprinzip, also die Art und Weise wie Strukturen zusammenh?ngen, und das Wachstumsverhalten von Netzwerken gehen. Letztere kann man abstrakt als Graphen verstehen, also Linien die von und zu sogenannten Knoten führen und dort miteinander verbunden sind. Ihr Freundesnetzwerk auf 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 oder im realen Leben ist eine sogenannte kleine Welt d.h. es gibt kurze Verbindungswege in dem Netzwerk zwischen fast jedem Knotenpaar. Der Schleimpilz bevor?zugt stattdessen lokale Nachbarschaftsnetzwerke.

Ich freue mich auf die weiteren Themen der kommenden Semester aus den Geistes-, Ingenieur-, Natur-und Sozialwissenschaften und ho?e wir sehen uns im 2-w?chigen Rhythmus in der Rotunde im Kartesium.

Georg Mohr, Institut für Philosophie, Universit?t Bremen

Abstract

Was meinen wir, wenn wir sagen, dass eine Person etwas entscheidet? Wir meinen damit, dass das Handeln dieser Person das Resultat ihrer ?berlegungen über relevante Gründe ist. Und wir nehmen an, dass in dieser F?higkeit von Personen, aufgrund eigener ?berlegungen zu entscheiden, menschliche Freiheit zum Ausdruck kommt. Es ist dies eine unserer Alltagspraxis implizite Annahme. Mit ihr begründen wir auch, warum wir Personen für ihr Handeln loben oder tadeln.

Wie berechtigt aber ist diese Annahme? Sind wir denn wirklich frei? Das wissen wir nicht. Es ist aber eine soziale Tatsache, dass wir so miteinander umgehen, als ob wir zu dieser Annahme berechtigt w?ren. Dies betrifft nicht nur die informelle moralische Alltagspraxis, sondern auch professionalisierte ?ffentliche Entscheidungsagenturen wie Strafgerichte. Wem strafrechtlich ein gesetzwidriges Handeln zugerechnet wird, dem wird grunds?tzlich unterstellt, er h?tte, statt gegen die Strafnorm zu versto?en, auch gesetzeskonform handeln k?nnen: Er h?tte auch anders handeln k?nnen. Dies gilt wie ein Axiom unserer gesamten Rechtspraxis. Freiheit als Anders-handeln-K?nnen ist offenbar eine für das Recht konstitutive Pr?misse: Mit ihr steht und f?llt die Legitimit?t von Recht.

Was w?re nun, wenn die Freiheitsannahme ein Irrtum w?re? Je 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 wir über die menschliche Natur und insbesondere über Funktionsweisen des Gehirns erfahren, desto dichter scheint das Netz kausaler Determination menschlichen Fühlens und Denkens und desto enger scheinen die Spielr?ume für Freiheit zu werden. Wenn aber Freiheit nur eine Illusion ist, dann ist Strafe ein Verbrechen – so lautet eine derzeit popul?re Bilanz.

Im Vortrag wird die implizite Logik der Argumente untersucht, die zu dieser Bilanz führen sollen. In Umkehrung dieser Logik wird Freiheit unabh?ngig von den immer noch dominierenden substanzontologischen Pr?judizien als soziale Tatsache re-konstruiert: Freiheit nicht als metaphysische Voraussetzung der Legitimit?t der Rechtspraxis, sondern als deren Funktion.

Anna F?rster, Institut für Nachhaltige Kommunikationsnetze, Universit?t Bremen

Abstract

Nicht nur wir Menschen stehen st?ndig vor Entscheidungen, sondern auch unsere Ger?te. Vor allem unsere heiss geliebten Computer stehen andauernd vor Entscheidungen, wie und wann sie welche Informationen wohin senden. Wenn ich einer Freundin eine Email schicke, gebe ich einfach eine Adresse ein. Aber wie kommt meine Email von meinem Rechner zum Rechner meiner Freundin? Findet die Email auch wirklich den kürzesten Weg dahin?

In diesem Vortrag werden wir eine Reihe von Entscheidungsprozessen für Computer & Co kennenlernen. Und zwar nicht die einfachen, trivialen Prozesse, sondern die naturinspirierten und intelligenten Prozesse. Was hat eine Ameise damit zu tun? Oder ein Vogelschwarm? Oder ein Baum? Das werden wir gemeinsam erkunden.

Thomas Hoffmeister, Institut für ?kologie, Universit?t Bremen

Abstract

Für manche mag es eine Provokation sein, wenn man das Verhalten von relativ einfachen Organismen wie Schlupfwespen mit dem von Menschen vergleicht. Von einem evolution?ren Gesichtspunkt aus betrachtet k?nnen wir jedoch eine sehr einfache Frage stellen, die für beide Organismentypen gilt: gibt es Rahmenbedingungen, unter denen wir erwarten k?nnen, dass Entscheidungsverhalten evolviert? Und k?nnten diese zu universellen Eigenschaften führen?

Anhand von einfachen Problemen, die zumindest für Menschen zu komplex sind, um sie analytisch zu l?sen, erkunden wir in dem Vortrag, wie Schlupfwespen und Menschen zu Probleml?sungen und Entscheidungen kommen. Schlupfwespen haben als Untersuchungsobjekte den gro?en Vorteil, dass wir relativ einfach ermitteln k?nnen, was optimale Entscheidungen w?ren und in wieweit diese Insekten in der Lage sind, optimale Entscheidungen zu treffen. Wir werden uns dann die Faustregeln ansehen, die solchem Entscheidungsverhalten zu Grunde liegen und werden uns vergleichbare Situationen bei Menschen ansehen und betrachten, wie stark unbewusste Anteile an Entscheidungsverhalten beteiligt sind.

Frank Kirchner, Deutsches Forschungszentrum für Kümstliche Intelligenz, Robotics Innovation Center 

Abstract

Robotic Systems are becoming mature enough to be deployed in real world environments and on real world tasks. This requires not just robustness on the electro-mechanical level but with ever increasing urgency decision making capabilities on the algorithmic side… This talk will present the foundations of the robotics problem as formulated by Alan Turing in the 40’ies of the 20th century as well as present examples of robotic systems on and in real world tasks and finally describe the mathematical tools we use in these machines to take decisions and argue that the algorithmic part of the robot can not be seen isolated from the physical instantiation of the robot and the environment.

Uwe Schimank, Institut für Soziologie, Universit?t Bremen 

Abstract 

Je wichtiger Entscheidungen sind, desto 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 wird davon gesprochen, dass man planvoll entscheiden solle, was man tut. Aber was ist, wenn die Entscheidungssituationen – egal, ob es um individuelle biographische Entscheidungen, Entscheidungen in Organisationen oder Entscheidungen politischer Gesellschaftsgestaltung geht – so komplex sind, dass nicht nur Planung, sondern sogar eine inkrementalistische ?Politik der kleinen Schritte“ ausgeschlossen ist?

Dann beginnt, meist hinter einer Fassade von Planung, die Stunde des Coping. Die vier Ingredienzien dieser Entscheidungspraktik sind: 1. weitgehender Verzicht auf Zielfestlegungen, 2. auf Gelegenheiten warten, 3. Improvisation und 4. Mal sehen, was rauskommt! Gemessen an den heroischen Rationalit?tsanforderungen der pr?skriptiven Entscheidungstheorie sieht das wenig aus. Doch eine Rest-Rationalit?t des Entscheidens vermag das Coping zu realisieren – und damit 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育, als wenn man in solchen Situationen Planung versucht und mit hoher Wahrscheinlichkeit grandios gescheitert w?re.

André Heinemann, Institut für Arbeit und Wirtschaft, Universit?t Bremen

Abstract 

Die Finanzpolitik als Teil der Wirtschaftspolitik und damit auch Teil der allgemeinen Politik kommt dort zum Tragen, wo insbesondere über den ?ffentlichen Haushalt Entscheidungen zur Beeinflussung der ?konomischen Aktivit?ten einzelner Akteure oder Akteursgruppen getroffen werden. Neben nicht-budget?ren Instrumenten (z.B. Gebote oder Verbote) sind es die Instrumente auf der Einnahmenseite und auf der Ausgabenseite des ?ffentlichen Haushaltes, welche zielgerichtet auch unter ?konomischen Effizienzgesichtspunkten eingesetzt werden sollen.

Ma?geblich für die Analyse und für die Erkl?rung und Beurteilung finanzpolitischer Entscheidungen sind dabei die institutionellen Rahmenbedingungen sowie die wohlfahrtsmaximierenden oder eigennutzmaximierenden Verhalten der politischen Entscheidungstr?ger. Konstitutionelle, sonstige rechtliche und weitere ?konomische Rahmensetzungen k?nnen dabei den Entscheidungs- und Handlungsspielraum der politischen Entscheidungstr?ger erweitern oder begrenzen. Auch sind sie hilfreich bei der Erkl?rung bestimmter finanzpolitischer Entscheidungen.

Im Vortrag wird der Frage nachgegangen, welche institutionellen ?Anreizsysteme“ für politische Entscheidungstr?ger im Bereich der Finanzpolitik in einem Mehrebenensystem vorstellbar sind. Warum sind Regierungen mal ?sparsamer“ und mal ?ausgabefreudiger“? Welche Auswirkungen hat ein bikamerales System (z. in Deutschland mit Bundestag und Bundesrat) auf die bundesstaatliche Finanzpolitik? Warum werden bisweilen die Rufe aus der Landespolitik nach h?heren Steuern laut, w?hrend Landespolitik 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 eigene Steuerkompetenzen gleichzeitig ablehnt? Und welchen Einfluss k?nnte ein m?glicher ?Endowment-Effekt“ in der Finanzpolitik innerhalb von Finanzausgleichssystemen haben? Spannende Fragen für eine hoffentlich interessante Diskussion.

Toshiyuki Nakagaki, Hokkaido University

Abstract 

In various single-celled species, we encounter a remarkable complex level of behaviour. Indeed, there are problem-solving ability and primitive forms of learning of periodic events and geometry of space. Typical examples of such behaviour are found in quite tractable model organisms: A large amoeba, the slime mold Physarum polycephalum, a ciliate like Paramecium and Tetrahymena. We have proposed a simple model (equations of motion) reproducing the observed behaviour and we have tried to extract a kind of algorithm that works in the behavioural intelligence. Behavioural strategy in complicated situations is not easy to interpret but it often turns out to be cleverer than we expected. Discussion will be made on: (1) mechanism of decision-making learned from those primitive organisms and (2) comparison to human behaviour. There might be a common basis that spans a wide variety of organisms.