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Pflanzen würden Harry Potter h?ren

14 Monate lang lebte Botanikerin Jess Bunchek in der Antarktis. Mit up2date. spricht sie über ihr abenteuerliches Leben als Wissenschaftlerin.

Ein Artikel von Birgit Bruns.

?berwintern im ewigen Eis. Spontan bei der NASA anrufen und ein Praktikum klarmachen. Nebenbei Deutsch studieren. Mit dem Rennrad über die Bremer Deiche düsen. Nein, die up2date.-Redaktion hat nicht mit 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育eren Personen gesprochen. Tats?chlich geh?ren all diese Dinge zum Leben einer einzigen Frau: Jess Bunchek. Die vielseitige US-Amerikanerin promoviert beim DLR-Institut für Raumfahrtsysteme und der Humans on Mars Initiative der Universit?t Bremen. Am 14. M?rz 2024 stellt sie ihre spannende Forschung zum Thema ?Pflanzenwachstum in lebensfeindlichen Regionen“ im Rahmen der Reihe ?Science goes Public!“ vor.

 

Was das Besondere an Jess Buncheks Lebenseinstellung ist, l?sst sich an einer bestimmten Situation festmachen: dem Tag des Sturms. Die damals 28-J?hrige lebt mit neun weiteren Personen in der Neumayer Station III im ewigen Eis der Antarktis. Ihr Job: in dem Gew?chshaus-Container ?EDEN ISS“ Pflanzen züchten. Dieser steht etwa 400 Meter von der Station entfernt auf einer Plattform – mitten im ewigen Eis. Jess Bunchek züchtet Pflanzen, damit das ?berwinterungsteam etwas Frisches zu essen hat. Und damit die Menschen an diesem lebensfeindlichen Ort sich mit etwas besch?ftigen k?nnen, das w?chst. ?Das ist wichtig für die Psyche“, erkl?rt die Wissenschaftlerin. Aber im EDEN ISS geht es auch um die Zukunft. Am Beispiel der Antarktis simuliert die Astro-Botanikerin, ob und wie es m?glich ist, dass sich Menschen beispielsweise auf einer Raumstation oder auf dem Mars, mit frischer, vitaminreicher Nahrung versorgen k?nnen.

Dafür züchtet sie 14 Monate lang Salat, Tomaten, Paprika, Erbsen, Bohnen und weitere Pflanzen und Früchte – insgesamt etwa 100 Pflanzen in einem 12,5 Quadratmeter gro?en Container. Drinnen: angenehme 18 bis 23 Grad Celsius, dazu ausreichend Licht und regelm??ige Wasser- und N?hrstoffzufuhr für ein gutes Wachstum. Drau?en: bis zu -50 Grad Celsius. Es gibt kaum eine lebensfeindlichere Umgebung. Das gilt schon an normalen Tagen. Erst recht, wenn ein Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern angekündigt ist. Bunchek erinnert sich: ?An dem Tag hatte ich im EDEN noch schnell die N?hrstoffl?sung der Pflanzen erneuert, damit sie die Zeit des Sturms gut durchhalten. Ich war froh, wieder zurück in der sicheren Neumayer-Station zu sein. Es pustete drau?en schon sehr ordentlich.“

Alarm im Gew?chshaus

Doch kaum hat sie sich hingesetzt, ert?nt ein Alarm: Eine Pumpe im Gew?chshaus arbeitet nicht 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 richtig. Das k?nnte gef?hrlich werden für die Pflanzen. Sie z?gert nicht lang, zieht den volumin?sen Anzug und die dicken Stiefel wieder an und macht sich in Begleitung einer Kollegin auf den Weg zum Gew?chshaus. ?Es war unglaublich anstrengend, denn mittlerweile war es auch noch dunkel geworden. Wegen des Sturms konnten wir aber keine Lampe benutzen, denn das Licht hat sehr stark reflektiert und war total desorientierend. Wir mussten uns Stück für Stück vortasten“, erz?hlt die Forscherin. Per Funk bleiben die beiden mit den Kolleg:innen auf der Station in Kontakt. Ein unglaublicher Kraftakt, der sich bezahlt macht: Die Forscherinnen k?nnen die Pumpe wieder zum Laufen bringen. Alle Pflanzen überleben.

Diese Geschichte zeigt: Jess Bunchek ist eine Frau der Tat. Eine, die sich traut, auch das scheinbar Unm?gliche anzugehen. Schon w?hrend ihrer Kindheit in der N?he von Chicago war ihr klar, dass es zwei Sachen gibt, die sie faszinieren: Pflanzen und der Weltraum. Eine eher ungew?hnliche Kombination, aus der sich beruflich nichts machen l?sst. ?Das dachte ich jedenfalls. Ich entschied mich daher für ein Studium der Botanik an der Purdue University in Indiana, mit Deutsch im Nebenfach. Aber das Interesse am Weltraum hat mich immer begleitet“.

Zwei Leidenschaften vereint

Einige Jahre sp?ter sa? sie an ihrer Masterarbeit im Fachgebiet Agrarwissenschaften. Im Fernseher lief nebenbei eine NASA-Dokumentation. Es war ein Weltraumspaziergang von der ISS zu sehen. Da kommt der jungen Forscherin eine Idee. Warum nicht einfach mal nachschauen, ob die NASA nicht doch etwas Spannendes für sie als Pflanzenforscherin anzubieten hat? Und tats?chlich – sie fand ein Praktikum beim NASA Kennedy Space Center in Florida mit dem verhei?ungsvollen Namen ?Veggie-Projekt“. ?Das war mein Thema!“ erinnert sich Bunchek. Die letzten Bilder des Fernsehbeitrags waren noch nicht ganz verschwunden, da hatte sie schon die passende Telefonnummer herausgesucht und sich bei der NASA beworben.

Heute, rund acht Jahre sp?ter, blickt sie auf 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育ere Jahre spannender Forschungsarbeit als Astro-Botanikerin zurück. Zun?chst als freie Mitarbeiterin im ?Veggie-Projekt“, seit 2020 als Gastwissenschaftlerin am Bremer DLR-Institut für Raumfahrtsysteme und bei der Humans on Mars-Initiative der Universit?t Bremen. Letztere nahm Anfang Februar 2024 die erste Hürde in der renommierten Exzellenzstrategie von Bund und L?ndern und ist nun auf einem guten Weg, ein Exzellenzcluster zu werden.

Buncheks Büro im DLR-Geb?ude im Bremer Technologiepark ist ein Spiegel ihrer Leidenschaften. Natürlich hat sie 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育ere Pflanzen, die – anders als in den meisten Büros – bestens gepflegt sind. An den W?nden h?ngen Bilder der Antarktis sowie das Abbild eines Astronauten im Raumanzug. Die obligatorische hellbraune Büro-Schrankwand ist kaum zug?nglich – 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育ere menschengro?e Bilderrahmen lehnen davor. Sie alle zeigen ihr bislang gr??tes Abenteuer: Die ?berwinterung in der Antarktis, genauer gesagt Innenansichten aus dem Gew?chshaus EDEN ISS. Eine Oase des Lebens mitten im ewigen Eis.

Auf dem Weg zur perfekten N?hrstoffl?sung

Mittlerweile steht das einstige Gew?chshaus ausger?umt auf einem Hof hinter dem Bremer DLR-Geb?ude. Der Doppel-Container ist im Frühjahr 2023 mit dem Forschungsschiff Polarstern zurück nach Europa gekommen. Doch mit der Rückkehr des Containers ist die Forschung keineswegs abgeschlossen. Tats?chlich geht es jetzt erst richtig los. ?Meine Doktorarbeit baut auf meinen Erkenntnissen aus der Antarktis-?berwinterung auf. Dafür bin ich tief in die Chemie eingetaucht“, erkl?rt die Botanikerin.

Konkret besch?ftigt sie sich mit N?hrstoffl?sungen – also dem Stoff, der die Pflanzen auch in den lebensfeindlichsten Regionen mit allem N?tigen versorgt. ?Wir wissen noch nicht, wie sich die einzelnen Elemente in der N?hrstoffl?sung verhalten. Vor allem, wenn etwas Zeit vergeht. Wie gut ist eine N?hrstoffl?sung, wenn sie schon zwei bis drei Monate alt ist?“ Sie geht davon aus, das genaue chemische Verhalten der einzelnen Komponenten bald entschlüsselt zu haben. Dann folgt der zweite Teil ihrer Promotion. Dieses Mal touchiert sie die Ingenieurwissenschaften. ?Sobald wir wissen, welche Ver?nderungen die N?hrstoffl?sung mit der Zeit aufweist, k?nnen wir die technischen Systeme so anpassen, dass sie besonders lange nutzbar bleibt“, erl?utert die Wissenschaftlerin. Denkbar w?re beispielsweise, die kommende Gew?chshaus-Generation mit passgenauen Sensoren und Sprühmechanismen auszustatten. Der Hintergedanke: Knappe Ressourcen schonen. Das ist nicht nur für ein ?berleben auf dem Mars essentiell, sondern wird in Zeiten des Klimawandels auch auf der Erde immer wichtiger.

Und wie geht es nach der Doktorarbeit weiter? ?Das wei? ich noch nicht“, sagt die 31-J?hrige. Aktuell fühlt sie sich in Bremen so wohl, dass sie sich vorstellen k?nnte, zu bleiben. Das Leben in ihrer 7er-WG im Stephaniviertel gef?llt ihr, die gemeinsamen Abendessen erinnern sie an das einmalige Gruppengefühl in der Abgeschiedenheit der Neumayer Station. Ihrem Hobby Rennradfahren kann sie in Norddeutschland problemlos nachgehen, fürs Bergsteigen und Tauchen – die sie beide ebenso mag – reist sie regelm??ig an besser geeignete Orte.

Nach unserem Interview geht es erstmal in die USA: Die NASA veranstaltet eine Konferenz, auf der Jess Bunchek einen Vortrag h?lt. Bevor sie losmuss, um den Koffer zu packen, noch schnell die Frage nach dem ultimativen Pflanzenpflegetipp. ?Was ich im EDEN getan habe, damit die Pflanzen gut wachsen? Nichts besonders. Ich habe ab und zu mit ihnen gesprochen. Aber nicht die ganze Zeit. Meistens lief ein Harry-Potter-H?rbuch. Das scheint ihnen gefallen zu haben. Sie waren bei der Ernte etwa drei Mal so gro? wie in meinem Garten zu Hause“, erz?hlt die Botanikerin l?chelnd.

Hier geht es zum Artikel auf up2date, dem Online-Magazin der Universit?t Bremen.

Jess Bunchek im Gew?chshaus
Aktualisiert von: MAPEX