Auf einen Espresso mit… Prof. Dr. Anna-Katarina Hornidge

Ein Bild von Anna-Katarina Hornidge

Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge hatte von 2015 bis 2020 eine Kooperationsprofessur zwischen der Universit?t Bremen und dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) mit dem Schwerpunkt Entwicklungs- und Wissenssoziologie inne. Seit 2020 ist sie Direktorin des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn und Professorin an der Universit?t Bonn.

Warum sind Sie an die Universit?t Bremen gekommen?

Ich bin nach Bremen für eine Professur am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) und dem Institut für Soziologie an der Universit?t Bremen gekommen. Am ZMT habe ich die Arbeitsgruppe ?Entwicklungs- und Wissenssoziologie“ geleitet. Nach einem Jahr habe ich dann die Leitung der Sozialwissenschaftlichen Abteilung am ZMT übernommen und im Austausch mit den Kolleg:innen am ZMT und an der Universit?t Bremen konnten wir das Feld der Marinen Sozial- und Kulturwissenschaften aufbauen. Das ist ein Bereich, der bereits seit einigen Jahren boomt. Der Ozean wird immer wichtiger, aber auch st?rker umk?mpft. Die mineralischen und biologischen Ressourcen des Ozeans rücken immer 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 ins Interesse des Menschen. Gleichzeitig leidet er unter Verschmutzung und Erw?rmung. Der Ozean ist auch als Klimaregulator von zentraler Bedeutung. Das alles führt zu einer St?rkung der Marinen Sozial- und Kulturwissenschaften inklusive ?konomischer Expertise zum Meer. Dies hat die Universit?t Bremen von Beginn an gef?rdert.

Für die ?lteren Semester ist vielleicht etwas ungew?hnlich, dass Sie als Soziologin in einem Bereich t?tig sind, der origin?r von Naturwissenschaftler:innen besetzt ist. Was war Ihr Forschungsgegenstand?

Zu meinem Hintergrund: Ich kam von einem sehr interdisziplin?ren Institut, dem Zentrum für Entwicklungsforschung an der Universit?t Bonn, das auf den Agrarsektor in den Entwicklungsl?ndern ausgerichtet ist. Ich hatte also schon in der Vergangenheit eng mit Naturwissenschaftler:innen kooperiert, mit Hydrolog:innen und Agrarexper:innen. In diesem Umfeld habe ich mich sehr wohlgefühlt, Forschungsfragen nicht nur aus Forschungsdesideraten, sondern aufgrund der Herausforderungen des realen Lebens zu formulieren, im Entwicklungskontext von tropischen L?ndern – z.B. wie man mit dem Anstieg des Meeresspiegels umgeht oder mit schwachen Finanzinstrumenten und Steuerungssystemen. Also, eine Anwendungsorientierung der Forschung in die Tat umzusetzen, um damit auch zu gesellschaftlichem Wandel beizutragen. Insofern war das auch in Bremen eine wunderbare Gelegenheit mit naturwissenschaftlichen Meereswissenschaftler:innen zusammenzuarbeiten, mit Fischereibiolog:innen oder Geolog:innen. Immer mit dem Anspruch, die Forschung so interdisziplin?r zu entwerfen, dass Steuerungssysteme (auch nicht-staatliche) mitgedacht und Entscheidungsprozesse informiert werden. Das beinhaltet auch kulturwissenschaftliche Fragestellungen zum Meer - z.B. wie gestalten wir Governance- und Machtstrukturen oder Kommunikationsr?ume, um nicht koloniale Praktiken zu wiederholen.

Was waren für Sie pr?gende Erfahrungen an der Universit?t Bremen?

Ich habe die Uni Bremen als Reformuniversit?t kennengelernt, mit der M?glichkeit, – aus dem Kontext der 1970er Jahre heraus – viel gestalten zu k?nnen. Das f?ngt mit der Architektur an und geht über in viele interne Diskussionen, der Fokussierung auf demokratische Prozesse, einem Interesse an kritischem Gedankengut, das nicht ausschlie?lich dem Mainstream entspricht. Gleichzeitig hat die Universit?t auch die Liberalisierung der Wissenschaften durchlaufen und es ist schon bei der Berufungspraxis nicht unerheblich, wie Drittmittel-affin m?gliche Kandidat:innen sind. Aus diesem Ganzen ist eine gro?e Dynamik entstanden, die ich als sehr erfrischend empfunden habe.

Wir fragen die Ehemaligen sonst, wie ihr Verh?ltnis zu den Professor:innen war. Wie war denn Ihre Beziehung zu den Studierenden?

Ich habe die Studierenden als sehr interessiert erlebt, international vernetzt, gerne auch out-of-the-box denkend. Ich hatte allerdings als Kooperationsprofessorin nicht so viel Lehre. Aber ich m?chte gerne zum Ausdruck bringen, dass ich diesen Bereich der Marinen Kultur- und Sozialwissenschaften für sehr innovativ und zukunftsorientiert halte. Es gibt kaum einen anderen Standort in Deutschland, der so gut dafür positioniert und so gut vernetzt ist im europ?ischen Kontext. Da sch?tze ich besonders die Arbeit des artec-Forschungszentrums für Nachhaltigkeit, aber auch die Arbeit der Sozialwissenschaften, Kulturwissenschaften und Ethnologie. Und ich hoffe, dass die Universit?t diesen wichtigen Schnittstellenbereich nicht aus dem Blick verliert.

Sie sind seit gut zwei Jahren Direktorin des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn, verbunden mit einer Professur an der Universit?t Bonn. Sind Sie dort eher in der Forschung oder der Politikberatung t?tig?

Das IDOS ist beides, au?eruniversit?res Forschungsinstitut und Thinktank. Diese Parallelit?t betonen wir, weil beide Rollen unterschiedliche Formen der Wissensproduktion und der Netzwerkpflege ben?tigen. Wir haben langj?hrige Forschungsprojekte, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), aber auch von traditionellen wissenschaftlichen Gebern finanziert werden wie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der Volkswagen-Stiftung. Gleichzeitig haben wir den Anspruch, auf einer etwas h?heren Abstraktionsebene die Arbeiten der Projekte in den Dialog miteinander zu bringen, mit dem Fokus auf aktuelle Debatten vor allem in der Entwicklungspolitik, aber auch in der Au?enpolitik, der Klima- und Umweltpolitik. Dort beraten wir sehr aktiv die Bundesregierung, auf EU-Ebene, aber auch im UN-Kontext. Wir versuchen ?epistemische Freundschaften“ zu pflegen. Dies ist übrigens ein Begriff, der auch von der Bremer Ethnologie-Professorin Michi Knecht gerne verwendet wird, und das Wie der Vernetzung an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik sowie Entscheidern im NGO-Kontext charakterisiert. Das geht über gezielte Beratung für einen Prozess oder ein Politikinstrument hinaus - obwohl wir auch das tun.  Aber langfristig ist der kontinuierliche Austausch einflussreicher und wichtiger, das Anbieten als intellektueller ?Sparringpartner“, um Ideen durchzuspielen, z.B. zur Vorbereitung auf gro?e thematische Debatten.

Wie nehmen Sie von Ihrer neuen Position die Universit?t Bremen wahr, gerade auch im Kontext der Klimaforschung?

Die Universit?t Bremen ist als Zentrum meereswissenschaftlicher Aktivit?ten, mit der au?eruniversit?ren Forschungslandschaft in Bremen und Bremerhaven mitgedacht, nicht das einzige Zentrum in Deutschland, aber ein sehr starkes. Diese Vernetzung ist in Bremen strategisch klug angelegt, auch über die Deutsche Allianz Meeresforschung in den norddeutschen Bundesl?ndern, um sich gegenüber der Bundesregierung weiter zu positionieren. Mein Rat w?re zu bedenken, dass der Ozean immer st?rker zu einer Art geopolitischem Schlachtfeld wird, und da bedarf die wissenschaftliche Beratung der politischen Aushandlungsprozesse auf allen Ebenen auch der Expertise von finanziellen und ?konomischen Instrumenten in diesem Kontext, sowie eines tiefen Verst?ndnis gesellschaftlicher Eigenorganisation im Umgang mit dem Meer.  Deshalb mein starkes Pl?doyer für den weiteren Ausbau der Marinen Sozial-, Kultur- und Wirtschaftswissenschaften. Damit k?nnte sich Bremen noch klüger als ohnehin schon national, wie auch international positionieren als klima- und meereswissenschaftliches Zentrum und Wissenstr?ger.