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Deutschlands feministische Au?en- und Entwicklungspolitik: Einsch?tzungen aus Abidjan

Ein Gespr?ch mit Philippe Ketouré (Université de Abidjan) über seine Einsch?tzungen zur neuen feministischen Au?en- und Entwicklungspolitik Deutschlands.

 

Philippe Ketouré war zwischen August 2023 und Januar 2024 Gastforscher am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien und hat sich in dieser Zeit genauer mit Konzepten und Realit?ten feministischer Au?en- und Entwicklungspolitik befasst. Zuletzt führten wir ein Gespr?ch mit ihm, um seine Einsch?tzung zu dieser neuen Politik z erhalten. Vor allem interessiert uns zu h?ren, was er denkt, wie diese neue deutsche Au?enpolitik in westafrikanischen L?ndern ankommt.

Das Gespr?ch führte Roy Karadag.

 

Was war dein erster Eindruck, als du von der neuen Ausrichtung im Au?enministerium in Richtung ?feministischer Au?en- und Entwicklungspolitik“ gelesen hast?

Als ich von der neuen Ausrichtung im Au?enministerium in Richtung

?feministischer Au?en- und Entwicklungspolitik“ h?rte, dachte ich, was ist das für ein neues Konzept? Es stimmt, dass ich als Dozent für internationale Beziehungen, bzw. diplomatische Beziehungen bereits in einigen Werken und in der Zeitung darüber gelesen habe, aber nicht in der Tiefe. Als das Ausw?rtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung diese gemeinsame Erkl?rung (Leitlinien) abgab, fragte ich mich, was diese politische Neuausrichtung in diesem Wirrwarr von Programm, Politik und Projekt bewirken k?nnte.

Ich fragte mich auch, in welchem Interesse eine neue Ausrichtung der Au?en- und Entwicklungspolitik erfolgte. Bedarf diese politische Neuausrichtung spezifische Programmen und Strategien, um Rechte der Frauen und M?dchen zu f?rdern und sicherzustellen?  Soviel ich wei?, gibt es bereits Politiken auf nationaler Ebene und Initiativen auf internationaler Ebene, die sich mit diesen Themen bereits befassen. Es gibt bestimmt ausreichende Mittel, die im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zur Armutsbek?mpfung, Bek?mpfung von Gewalt gegen Frauen zur Verfügung stehen. Schlie?lich stellte ich mir die Frage, wie das für zwei verschiedene Ministerien greifen soll (Ausw?rtiges Amt, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), die beide Deutschland auf internationaler Ebene repr?sentieren. Da kommt es wahrscheinlich zu ?berschneidungen und unkoordinierten Initiativen zu Ungunsten afrikanischer L?nder. Aber je weiter meine explorative Fallstudie über das Thema ?feministische Au?en- und Entwicklungspolitik“ in Deutschland voranschritt, desto klarer wurde das Bild für mich. In Wirklichkeit handelt es sich eher um Leitlinien oder eine Staatserkl?rung als um eine Strategie mit einem Aktionsplan und Umsetzungsmechanismen.

Wie der Name schon sagt (Leitlinien), sind Richtlinien als Orientierung gedacht. Durch diese Leitlinien versucht die deutsche Regierung eine feministische Au?en- und Entwicklungspolitik umzusetzen oder zu st?rken, die Rechte der Frauen und M?dchen (Chancengleichheit, Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter) zu f?rdern und sicherzustellen, die Geschlechterdimension auf allen Ebenen des Entwicklungsprozesses zu berücksichtigen. Dieses Dokument vermittelt ein besseres Verst?ndnis des formalen Rahmens für die Umsetzung feministischer Au?en-und Entwicklungspolitik.

Kommt so eine Neuausrichtung bei westafrikanischen Regierungen an? Und bei Gesellschaften? Sieht man in den letzten Wochen und Monaten schon Reaktionen?

Die Wahrheit ist aber, dass es viele Menschen in Afrika gibt, die sich dieser politischen Neuausrichtung nicht bewusst sind, abgesehen natürlich von westafrikanischen Regierungen, politischen Entscheidungstr?gern, Journalisten, Intellektuellen und einigen feministischen zivilgesellschaftlichen Bewegungen.

Aus meinen Lektüren und informellen Gespr?chen, die ich im Land führte, geht klar hervor, dass viele Menschen sich dieses Konzepts nicht bewusst sind. Wir sollen nicht aus den Augen verlieren, dass wir mit afrikanischen L?ndern zu tun haben, wo es immer noch traditionelle und patriarchale Gesellschaftsstrukturen noch gibt. Ich gebe zu, dass sie in dieser Frage unterschiedliche Positionen vertreten. W?hrend einige die Prinzipien der Gleichberechtigung der Geschlechter befürworten, lehnen viele Gesellschaftsgruppen diese Prinzipien ab. Sie lehnen das Konzept ab und wollen nichts davon h?ren. Für die Gegnerinnen feministischer Au?enpolitik, also für eher antifeministischen Bewegungen ist das Ziel dieses Konzepts, M?nner zu schw?chen, indem deren Autorit?t in Frage gestellt wird.

Für die feministischen und sozialen Bewegungen gilt das natürlich nicht. Die erhoffen sich eine St?rkung ihrer Rolle. Aber das scheint nicht auszureichen. Wenn feministische Au?en- und Entwicklungspolitik Strategien konzipiert, um die patriarchale Herrschaft über arme Bev?lkerungsgruppen und über Frauen zu verst?rken, dann werden sich Frauenbewegungen dieser Politik entgegenstellen. Sie sind also prinzipiell bereit, die Umsetzung der Neuausrichtung zu unterstützen, aber nicht um jeden Preis. Dafür müssen und wollen die auch erstmal besser verstehen, was diese Politik konkret beinhaltet.

Wie k?nnte denn eine feministische Au?enpolitik aussehen? Wie würdest du sie gestalten?

Meine Auffassung von feministischer Au?enpolitik ist folgende: Eine klare Strategie und einheitliche Ma?nahmen und Mechanismen für das Gender Mainstreaming in allen Bereichen der Au?enpolitik und der Zusammenarbeit zu haben. Die strategische Planung von Programmen und Initiativen mit klaren Umsetzungs-, ?berwachungs- und Evaluierungsindikatoren sowie betr?chtlichen personellen und finanziellen Ressourcen; Aufbau von Kapazit?ten von Entwicklungshelfern, von Mitgliedern zivilgesellschaftlicher Organisationen, die in Programmen und Initiativen zum Schutz und zur Verbesserung der Lage von Frauen und M?dchen einbezogen werden (damit die Menschenrechte in vollem Umfang wahrgenommen werden und Chancengleichheit garantieren k?nnen). Denn der Beitrag der Zivilgesellschaft (Frauenrechtsorganisationen und feministischen Bewegungen zum Schutz der Menschenrechte, zur Gleichstellung der Geschlechter und zur nachhaltigen Entwicklung) ist unbestreitbar. Bei feministischer Au?enpolitik geht es zudem zunehmend darum, die Zivilgesellschaft zu aktivieren (statt sie auszugrenzen), denn der Kampf gegen anhaltende soziale, wirtschaftliche und politische Ungleichheiten kann nicht allein Sache der Staaten sein.

Was ist denn überhaupt das Bild von deutscher Au?en-, Wirtschafts-, Entwicklungspolitik in einem Land wie der Elfenbeinküste?

Das Bild von Deutschland ist im Allgemeinen in Afrika bzw. in der Elfenbeinküste positiv. Deutschland ist dafür bekannt für die Entwicklungszusammenarbeit und seine verst?rkte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika. Deutschland ist ein Land, dessen Politik sowohl auf Diplomatie als auch Wirtschaft, Entwicklungshilfe, Verteidigung und Handel setzt. Deutschland f?rdert deutsche Investitionen bzw. Finanzierung afrikanischer Volkswirtschaften und mobilisiert privater Investoren zugunsten Afrikas.

Im Gegensatz zu Investitionen in anderen L?ndern h?ngen die Investitionen Deutschlands von den Anstrengungen der L?nder bei der Bek?mpfung von Korruption, dem Finanzmanagement und der Achtung der Menschenrechte ab.

Die guten Aussichten für die Zusammenarbeit zwischen Elfenbeinküste und Deutschland zeigen sich in Themenbereichen wie die Sicherheit, der Kampf gegen die Korruption, den Klimawandel und die Entwicklung erneuerbarer Energien. Aber auch Reformen, um das Gesch?ftsklima zu verbessern.

 In der Entwicklungszusammenarbeit hat die Bundesregierung dies mit der Initiative "Compact with Africa" (CwA) verwirklicht. Die Idee dahinter war, dass die G20 im Rahmen des CwA eng mit afrikanischen Staaten (Reformpartnern), die sich für Reformen einsetzen, zusammenarbeiten würden, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der CwA-L?nder zu verbessern, um ausl?ndische (private) Investitionen in diesen L?ndern zu erh?hen. CwA ist mittlerweile ein etabliertes Schlüsselformat für die Zusammenarbeit zwischen der G20 und afrikanischen Partnern, das auch der wichtigen Rolle Afrikas in einer zunehmend multipolaren Welt Rechnung tr?gt.

Wie sieht deine eigene Analyse zu feministischer Au?en- und Entwicklungspolitik, die in Europa formuliert wird, aus?

Eine Herausforderung ist natürlich, dass die feministische Au?en- und Entwicklungspolitik

noch sehr jung ist. Bis vor kurzem haben Staaten und internationale Institutionen für den ?Feminismus“ kaum mobilisiert. In einem internationalen Kontext der Ablehnung von Frauen- und M?dchenrechten haben einige Staaten eine st?rkere feministische Politikverankerung etabliert. Einige afrikanischer L?nder wie die Elfenbeinküste verfolgen also die gleiche politische Ausrichtung, ohne das offiziell zu deklarieren. Diese neuen Ans?tze gewinnen allgemein an praktischer Bedeutung und stellen gewisserma?en einen Bruch mit traditionellen politischen Paradigmen dar. Weltweit w?chst unter Regierungen und in Zivilgesellschaft das Interesse an solchen Formen. Es scheint also, dass so ein Format wie feministische Au?enpolitik ein diplomatisches Modell mit Zukunft ist. Auf nationaler Ebene k?nnte die Annahme eines feministischen Ansatzes zur Verbesserung der sozialen Entwicklung und zur Verwirklichung des sozialen Wohlergehens und der Gleichstellung der Geschlechter beitragen. Darunter z?hlen Inklusion, Gleichheit, Frieden und menschliche Sicherheit.

Die konkreten Ergebnisse feministischer Au?en- und Entwicklungspolitik sind aber schwer zu messen. Das betrifft auch ihre Resonanz bei Regierungen und Zivilgesellschaft. Im Laufe der Zeit wird es m?glich sein, die praktische Umsetzung der in den letzten Jahren beschlossenen feministischen Au?en- und Entwicklungspolitik zu untersuchen. Es ist offensichtlich, dass feministische Au?en- und Entwicklungspolitik ?kein Zauberstab“ ist, der alle Schwierigkeiten der Welt bzw. der Entwicklungsl?nder des Südens beseitigen kann. Aber sie ist in meinen Augen ein wichtiger und lang erwarteter Schritt in die richtige Richtung.

Das feministische entwicklungspolitische Handeln wird sicher auch umso glaubwürdiger, je 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 sich eingespielte Arbeits- und Sichtweisen von staatlichen Akteuren, von Ministerien und gesellschaftlichen Organisationen mit der Zeit ver?ndern.

Es gibt aber auch einen anderen gro?en Widerspruch: Da feministische Au?enpolitik für sich beansprucht, zu friedlicher Entwicklung beizutragen, offenbart sie einige Defizite, wenn man sich die Gaza-Krise im Nahen Osten anschaut. Hier blieben die meisten L?nder hinter den eigenen Erwartungen zurück. Viele L?nder orientieren sich einfach nicht an Prinzipien Frieden und Sicherheit und Klimagerechtigkeit, sondern betreiben eine Politik, die zur Zerst?rung der Umwelt und von Ressourcen beitr?gt, von denen Gemeinschaften abh?ngen. Kritik richtet sich auch gegen die fortgesetzte und sogar gesteigerte Kriegswaffenproduktion sowie deren Exporte. Einige europ?ische L?nder wie z.B. Schweden, Deutschland betreiben eine Politik, die militarisierte und gewaltt?tige Sicherheitsstrukturen finanziert und unterstützt und die in hohem Ma?e von der Produktion und Verbreitung von Kriegswaffen auf der ganzen Welt profitiert.

Feministische Au?en-und Entwicklungspolitik mag ein sensibles Thema sein, aber ihre Konzipierung und Umsetzung ist zumindest ein gutes Signal. Die gemeinsamen Anstrengungen von L?ndern wie Schweden, Kanada, Frankreich, Mexiko, Spanien, Luxemburg, Deutschland, Libyen, Chile, Mongolei müssen fortgesetzt werden. Es gibt noch "ein bisschen" zu tun.

Meistens handelt es sich hier doch um Leitlinien und um deklarative Politiken als um eine konkrete Strategie, wie Geschlechterungleichheiten zu überwinden sind. Der multisektorale Charakter dieser Fragen im Zusammenhang mit dem Feminismus erfordert integrierte Ma?nahmen auf der Grundlage eines systemischen, multisektoralen und partizipativen Ansatzes. Ohne starke Verflechtungen zwischen Staat, Zivilgesellschaft, zwischen Au?en- und Entwicklungsministerien und relevanten Beh?rden und Regierungsstellen sind keine weiteren Fortschritte zu erwarten.

Lieber Philippe, vielen Dank für das Gespr?ch.

 

 

Aktualisiert von: iinis