Projektdetails
Gesundheitsgerechtigkeit und hohes K?rpergewicht: Zur Bedeutung empirisch-informierter Ethik für Health Policy-Analysen
Imogen Weidinger M.Sc.;
Beschreibung
Hohes K?rpergewicht hat eine Vielzahl von Ursachen. Darunter fallen genetische, psychische/psychiatrische und medizinische Gründe; Umweltbelastungen sowie soziokulturelle Faktoren. Abh?ngig von Kultur, Ethnizit?t, sozio?konomischem Status sowie Bildungsabschluss haben manche sozialen Gruppen eine deutlich erh?hte Pr?valenz für hohes K?rpergewicht und sind damit noch st?rker von Stigmatisierung und Diskriminierung (etwa am Arbeitsplatz oder durch Personal im Gesundheitsweisen) betroffen.
Diskussionen der letzten Jahre zeigten, dass die tiefen Ursachen für die Verteilung von Krankheitslasten und gesundheitlicher Versorgung in sozialer Ungleichheit liegen und nicht nur im individuellen Verhalten. Zwar wird gerade hohes K?rpergewicht im ?ffentlichen und fachlichen Diskurs als lebensstilbedingte Erkrankung mit individueller Verantwortung verknüpft – aus ethischer Sicht werfen jedoch die multifaktoriellen Ursachen des hohen K?rpergewichts die Fragen auf, ob es gerechtfertigt es ist, ausschlie?lich Individuen verantwortlich zu machen.
Die Public Health Ethik bearbeitet solche Spannungsfelder aus einer normativen Perspektive. Ein interdisziplin?res Vorgehen kann auch den Einbezug von empirischen Ergebnissen einschlie?en. Public Health Ethik tr?gt so dazu bei, praktische Entscheidungen, die sich auf die Gesundheit von Populationen und auf systemische bzw. strukturelle Aspekte das Gesundheitswesen auswirken, auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und in Bezug auf Moraltheorien zu begründen und zu reflektieren. W?hrend das Feld der Public Health Ethik international sehr ausdifferenziert ist, weist es jedoch in Deutschland noch keine systematische Vernetzung in die Praxis, keine etablierten Theoriegerüste oder festen Strukturen zur Politikberatung auf. Obgleich die Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit in Forschung und Praxis anerkannt ist, gibt es bisher weder ein einheitliches Verst?ndnis von Gerechtigkeit noch konkrete Ma?st?be.
Daher untersuchen wir in unserem Projekt an der Adipositas als einem Paradigma der Public Health, welche Gerechtigkeitstheorien geeignet sind, um derzeitige Strukturen der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsf?rderung hochgewichtiger Menschen ethisch zu reflektieren. Im Fokus stehen erstens auf der normativen Ebene die Prüfung g?ngiger Gerechtigkeitsans?tze und die Ausarbeitung eines Konzepts von Bedarfs- bzw. Bedürfnisgerechtigkeit; zweitens die empirisch-ethische Auswertung von Betroffenen- sowie Expert:innen-Interviews; und drittens ethische Implikationen aktueller Konzepte in gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung. Praxisfelder sind insbesondere kommunikative Aspekte, digitale Gesundheitsanwendungen und ?lteren Menschen mit Adipositas als bisher vernachl?ssigter Gruppe. Viertens wollen wir Vorschl?ge machen, wie ethische Reflexionen in konkrete Handlungsempfehlungen überführt werden k?nnen. Dafür werden internationale Policies im Bereich des hohen K?rpergewichts systematisch aus ethischer Sicht analysiert und verglichen. Dies soll nicht nur helfen zu verstehen, welche Rolle Theorien der Gesundheitsgerechtigkeit in diesem Kontext bereits spielen, sondern auch ein ethisch reflektiertes Modell für die Policy-Entwicklung in Deutschland entwerfen.