ForschungswerkStadt Bremen-Gr?pelingen
Politische Bildung als Transferlabor und kollaborative Wissensproduktion in einem superdiversen Stadtteil: Neue Formate ?ffentlicher Sozial- und Kulturwissenschaft
Teilprojekt des FGZ, Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt
In Kooperation mit Andreas Klee und Julia Neuhof, Zentrum für Arbeit und Politik (zap), Universit?t Bremen
Ver?nderte Bedingungen der Wissensproduktion haben in den letzten Jahren das Interesse an einem Dialog und Austausch zwischen Universit?t und Stadt neu belebt. Wie aber lassen sich neue Resonanzr?ume zwischen Wissenschaft und einer zunehmend diversen und polarisierten Stadtgesellschaft schaffen? Mit dem Aufbau einer wissenschaftsbasierten ForschungswerkStadt (FWS) im Bremer Ankunftsstadtteil Gr?pelingen weitet das Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft (IfEK) seine Aktivit?ten im Bereich Public Anthropology aus. Es ?ver-sucht“ und ?unter-sucht“ gleichzeitig neue Wege und Formate kultur- und sozialwissenschaftlicher Wissensproduktion.
Die ForschungswerkStadt zielt auf ein l?ngerfristiges, stadtteilbezogenes Engagement mit einer lokal verankerten Pr?senz im Quartier und digitaler Archiv- und Wissensinfrastruktur. Sie kombiniert ethnographische Forschung mit der Entwicklung und Erprobung stadtteilbezogener, kollaborativer Formate des Wissens und des Transfers wie zum Beispiel Erz?hlcafés und Stadtteilwerkst?tten. Für die Zukunft geplant ist auch die Ausbildung und Zusammenarbeit mit 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育sprachigen Community Researchern und die Entwicklung neuer Formate forschenden Lernens mit Praxispartner*innen, Studierenden und Schüler*innen. In der Anfangsphase werden 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 der FWS vor allem in R?umlichkeiten kooperierender Einrichtungen und Initiativen im Stadtteil stattfinden. Perspektivisch besteht das Interesse eine eigene Vor-Ort-Pr?senz aufzubauen.
Das Konzept für die ForschungswerkStadt wurde interdisziplin?r mit Partner*innen aus Geographie, Soziologie, Politologie, Gesundheitswissenschaften und Ethnologie an der Universit?t Bremen erarbeitet und vorbereitet. Seit Juni 2020 wird das Vorhaben als eines von zwei Bremer Transferprojekte des neu gegründeten Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt am Bremer Standort vom BMBF gef?rdert. Das FGZ erforscht als eine Verbundforschungsinitiative aus elf Hochschul- und Forschungsinstitute in den kommenden vier Jahren gegenw?rtige Herausforderungen des gesellschaftlichen Zusammenhalts aus interdisziplin?rer Perspektive. Fokus des Bremer Teilinstituts sind Gef?hrdungen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die aus ?konomischen Polarisierungsdynamiken und lebensweltlichen Segmentationsprozessen zwischen unterschiedlichen sozialen Milieus – insbesondere in den Mittelschichten – resultieren.
In Zusammenarbeit mit den Bremer Forschungsprojekten fokusieren die im Rahmen der ForschungswerkStadt entwickelten Transferformate auf Fragen des Zusammenlebens und der Beziehungsgestaltung im Stadtteil, die Praktiken der Abgrenzung und Absonderung ebenso beinhalten wie Arenen des Kontakts und der Solidarit?t zwischen unterschiedlichen sozialen und kulturellen Milieus. Der Bremer Stadtteil Gr?pelingen eignet sich dafür unseres Erachtens in besonderem Ma?e. Wie kein anderer Stadtteil steht das alte Hafen- und Industriequartier im Westen der Stadt paradigmatisch für die krisenhafte Dynamik sowie das innovative Spannungspotenzial st?dtischen Strukturwandels. In dem heterogenen, ?super-diversen“ und von starker Ungleichheit gepr?gten Stadtteil bündeln sich sowohl Dynamiken von Exklusions- und Polarisierungsprozessen, als auch Transformationspotenziale einer zivilgesellschaftlich engagierten Stadtkultur: Hohe Erwerbs- und Arbeitslosigkeit, Abh?ngigkeit von Transferleistungen mit negativen Folgen vor allem für Kinder und Jugendliche sowie eine insgesamt zunehmende Armut stehen einem beachtlichen Angebot an sozialen, kulturellen und ?kologischen Initiativen im Stadtteil ge?genüber, die an der Bearbeitung von Problemen mitwirken und verschiedene Arten von Gemeinwesenarbeit im Stadtteil leisten.
Projekte der ForschungswerkStadt
Universit?t dezentrieren - Wie kommt die Universit?t in die Stadt und, wenn ja, wohin? Geschichten und Erfahrungen aus Gr?pelingen
Ein erstes Projekt der ForschungswerkStadt ist die Erarbeitung einer kritischen Genealogie interventionistischer Wissenschaftspraxis in Gr?pelingen. Als paradigmatischer Ort der Transformation ist Gr?pelingen immer auch ein Ort universit?rer Forschung und Intervention gewesen. Zu den früheren universit?ren Interventionen geh?ren etwa Untersuchungen zur (Krise der Bremer) Hafenarbeit sowie Forschungsprojekte der Bremer Stadtgeographie zur ethnischen Segregation und Armut oder auch Studien, die im Rahmen des Verbundprojekts EVALO (Er?ffnung von Anpassungsf?higkeit für lebendige Orte) zu bildungspolitischen Fragen, Integration und Kultur sowie st?dtischem Wandel in Gr?pelingen gemacht wurden. Aus diesen Forschungsinterventionen heraus sind lokale Initiativen entstanden; davon spielen manche bis heute eine wichtige Rolle in der sozial- und kulturpolitischen Stadtteilarbeit und sind für uns auch als Partner*innen vor Ort von Interesse. Zu ihnen geh?ren der Verein ?Kultur vor Ort“, der Gesundheitstreffpunkt West und das Zentrum für Migration und Interkulturelle Studien (ZiS).
In dem Projekt m?chten wir die Geschichte der Er- und Beforschung Gr?pelingens aufarbeiten und gemeinsam mit Forschenden, Partner*innen und Bewohner*innen aus dem Stadtteil kritisch reflektieren und filmisch dokumentieren. Dies soll einerseits Erkenntnisse über die oft erst im l?ngeren Horizont sichtbar werdenden Effekte und Wirkungen von Forschung generieren. Andererseits verstehen wir das Projekt auch als Auftakt einer fortlaufenden methodologischen Reflexionsarbeit in der ForschungswerkStadt Gr?pelingen und eines Gespr?chs mit dem Stadtteil über das Zusammenarbeiten, die Impulse für die Weiterentwicklung kollaborativer Methodologien und innovativer Transferformate liefert.
Aus dem Projekt ist die Video-Installation Green Screen entstanden, die wir gemeinsam mit dem Filmemacher Sebastian Eschenbach
und Studierenden der Studieng?nge Kulturwissenschaft (BA) und Transkulturelle Studien (MA) der Universit?t Bremen im Rahmen eines Projektseminars im SoSe2021 und WiSe 2021-2021 erarbeitet haben.
Zum Projektflyer hier
Biodiverse Cities - Pilotprojekte zu "natur-
basierter", inklusiver Stadtentwicklung in Gr?pelingen
Welchen Beitrag leisten Stadtnaturen in Zeiten rasanten Klimawandels und Verlusts biologischer Vielfalt? Welche Rolle spielen Grünr?ume für sozialen Zusammenhalt in pluralen Stadtgesellschaften? Wie kann Stadtnatur gemeinsam mit den Bürger*innen und Bürgern inklusiver und umweltgerechter gestaltet werden? Diese Fragen gestehen im Fokus des EU-Interreg-Projekts Biodiverse Cities, das in 5 Pilotst?dten in der Nordwest-Europa – darunter Bremen – innovative Projekte entwickelt und durchführt.
Das Teilprojekt in Bremen konzentriert sich auf den dicht besiedelten und kulturell vielf?ltigen Stadtteil Gr?pelingen. Eines der beiden Projektgebiete ist die Nachbarschaft rund um den Bürgermeister-Ehlers-Platz im zentralen Lindenhofquartier von Gr?pelingen. Die ForschungswerkStadt Gr?pelingen und das artec Forschungszentrum Nachhaltigkeit der Universit?t beteiligen sich als knowledge partner am Projekt mit einem Arbeits- und Forschungschwerpunkt auf Fragen partizipativer Methoden der Bürgerbeteiligung, Social Design und Citizen Science in der Entwicklung und Umsetzung innovativer grüner Interventionen und naturbasierter L?sungen im urbanen Raum.
Aufbau einer digitalen Plattform als kollaboratives Wissensarchiv: PECE
In der ForschungswerkStadt Gr?pelingen m?chten wir das innovative Potenzial digitaler Wissens-Infrastrukturen und Partizipationswerkzeuge nutzen, um neue M?glichkeiten des Teilens, der Vernetzung und des Zug?nglich-Machens von Wissen zu erproben. Konkret im Fokus steht dabei PECE (Platform for Experimental Collaborative Ethnography), eine von den Sozial- und Kulturanthropolog*innen Kim und Mike Fortune (UC Irvine) und ihrem Team entwickelte, open-source-Plattform, die in besonderer Weise die Zusammenarbeit von multilokalen und interdisziplin?ren Forscher*innen sowie deren Interaktion und Kollaboration mit unterschiedlichen (Teil)-?ffentlichkeiten f?rdert. PECE unterstützt die Archivierung, Analyse, Visualisierung und Publikation von Daten online im Modus einer kollaborativen Hermeneutik. Unterstützt vom PECE-Team (Tim Schütz, Kim und Mike Fortun), sowie Digital Impact Lab in Gr?pelingen arbeiten wir an der Entwicklung/Installation einer eigenen Pece-Instanz mit public interface für die ForschungswerkStadt, so dass unterschiedliche wissenschaftliche Daten für Bewohner*innen zur Verfügung gestellt und neue Nutzungsarten ausprobiert werden, aber auch Selbstzeugnisse, Narrative, Beschreibungen von Bewohner*innen generiert und gesammelt werden k?nnen. Gleichzeitig werden Daten zu wahrgenommenen Spaltungen und Ausgrenzungen, Erfahrungen im Umgang mit unterschiedlichen Milieus und Narrative stadtteilbezogener Projekte und Proteste generiert und als Formen der Wissensproduktion etabliert. Sukzessive soll so ein digitales Wissensarchiv für den Stadtteil entstehen, das zielgruppen- und milieuübergreifende Interaktion unterstützt.
WerkStadtgespr?che
Ein weiteres Format der FWS sind regelm??ige WerkStadtgespr?che mit unterschiedlichen Gruppen, Akteur*innen und Bewohner*innen im Stadtteil über relevante stadtteilbezogene Themen: Geschichten des Ankommens, Bleibens und Gehens; Geschichten über Arbeit und Protest; Geschichten über Pl?tze und Erinnerungsorte im Stadtteil. Auch hier wollen wir mit unterschiedlichen Gespr?chsformaten experimentieren – neben narrativ angelegten Interviews und Erz?hlcafés stützen wir uns auf verschiedene Formen des gemeinsamen Gehens und Spazierens im und durch den Stadtteil. Als Methode, Wissen und Erfahrungen zwischen unterschiedlichen Gruppen oder Generationen ?umzuverteilen“ sind solche Walking-Touren in der Stadtethnographie gut etabliert. ?hnliche Formate, wenn auch weniger forschungsorientiert, werden im Stadtteil schon mit Erfolg erprobt. Das gemeinsame Explorieren mit heterogenen Gruppen er?ffnet Raum für andere und neue Perspektiven auf den Stadtteil und seine Geschichten.
Projektkoordination:
Dr. Martina Grimmig
Leitung:
Prof. Dr. Michi Knecht
Kontakt:
Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft
Fachbereich 9
Enrique-Schmidt-Stra?e 7
28359 Bremen
Tel: +49 0421 218 67644
grimmig[at]uni-bremen.de
knecht[at]uni-bremen.de
Laufzeit:
6/2020 – 5/2024
Finanzierung:
BMBF, Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt FGZ, Teilinstitut Bremen