Mai 2009: Kurt Weill, ?Der Weg der Verhei?ung“

Kurt Weill: ?Der Weg der Verhei?ung“

“Ich wollte die Negation des Hitlerregimes, was nur mit etwas Positivem zu erreichen ist. ?The Eternal Road’ ist eine positive Antwort auf all die Wut, den Hass und die Erniedrigung unserer Zeit.“ Franz Werfel 1935

Kurt Weill hat ?Der Weg der Verhei?ung“ in den Jahren 1933 – 35 komponiert. Ziel des Werkes war, die US-amerikanische ?ffentlichkeit auf das Schicksal der jüdischen Verfolgten aufmerksam zu machen. Den Text verfasste Franz Werfel nach biblischen Vorlagen, die Inszenierung der New Yorker Uraufführung besorgte kein Geringerer als Max Reinhardt, beide wie Kurt Weill prominente Emigranten. Die New Yorker Uraufführung 1937 unter dem englischen Titel: ?The Eternal Road“ war künstlerisch ein gro?er Erfolg, allerdings verschlang die aufw?ndige Inszenierung mit fünf verschiedenen Bühnen und dem kompletten Umbau eines Theaters Unsummen und das Projekt war nach 153 Aufführungen bankrott. Vermutlich hat dieses unselige Ende die weitere Karriere des Werks schwer belastet. Dazu kommt, dass nach 1945, nach der Shoa, der vorsichtige Optimismus des Werks auf Erfüllung der Verhei?ung in ferner Zukunft m?glicherweise bereits zu optimistisch schien. Au?erdem dauert die Oper im Original 4 – 6 Stunden und ist damit nur für gro?e H?user realisierbar. Das jedoch ist au?erordentlich schade, denn die Musik ist gro?artig. Die umfangreichen Textszenen, in denen Werfel die Situation einer zeitlosen, von einem Pogrom bedrohten jüdischen Gemeinde darstellt, hat Weill nicht vertont. Er hat nur die von der bedrohten Gemeinde gemeinsam erinnerten biblischen Szenen in Musik gesetzt, und die haben eine in sich geschlossene Handlung, die auch bei Weglassung der Schauspielszenen weitgehend schlüssig ist, wie sich bereits an den Titeln der vier Akte ablesen l?sst: ?Erzv?ter“ – ?Mose“ – ?K?nige“ – ?Propheten“. Konzertant aufgeführt ?hneln sie formal und strukturell einem Oratorium wie Mendelssohns ?Elias“. Die von Orchester & Chor der Universit?t Bremen am 19. Mai 2009 konzertant aufgeführten beiden mittleren Akte ?Mose“ und ?K?nige“ haben nicht l?nger als publikumsfreundliche zwei Stunden gedauert. Das Werk ist nicht schwieriger als Bachs Passionen und nicht gr??er besetzt als Orffs gleichzeitig entstandene ?Carmina Burana“ und eine geradezu ideale Bereicherung des Repertoires insbesondere der zahlreichen gro?en Kirchench?re in Deutschland, die neben den bekannten und immer wieder aufgeführten Werken Bachs, H?ndels, Mozarts, Mendelssohns, Bruckners und Brahms’ gerade ihren jüngeren Chormitgliedern auch einmal aktuellere Musik für Chor und Orchester bieten m?chten, für die aber Brittens ?War Requiem“ und Pendereckis ?Lukaspassion“ zu anspruchsvoll und zu aufwendig sind und für die John Rutters Kompositionen schlie?lich doch zu wenig Substanz haben.

“Zur H?lle mit der Nachwelt – ich will meine Musik h?ren, so lange ich lebe.“ Kurt Weill

“Ich glaube, dass es die sch?nste Musik wird, die ich bisher geschrieben habe.“ Kurt Weill 1934

Kurt Weill hat in den 20er Jahren viel für den Rundfunk gearbeitet, er hatte offene Ohren für die aktuelle Musik seiner Zeit; er hat den Klang des Jazz seiner Epoche in seiner Musik eingefangen. Er hat das nicht w?rtlich gemacht; er hat keine typischen Jazzrhythmen und Spielmuster übernommen, wie das Kollegen von ihm durchaus getan haben. Er hat nur die Klangfarbe des Jazz seiner Zeit ins Sinfonieorchester übertragen. In den 1920er und 1930er Jahren waren es noch nicht die Saxofone, sondern die Klarinetten, die Trompeten und die Posaunen, das Klavier und das Schlagzeug, die den Klang des Jazz pr?gten. Wir denken an Benny Goodman, King Oliver, Louis Armstrong und schlie?lich an Duke Ellington. Und wir erinnern uns an den etwas scheppernden, fast n?selnden Klang der alten Aufnahmen, auf denen die B?sse besonders schwach zu h?ren waren. Es gelang Weill, die Farbe dieses Klanges in das klassische Sinfonieorchester mit gro?em Chor und Solostimmen, für das er ?Der Weg der Verhei?ung“ komponierte, zu transportieren. Er hat die klassischen H?rner weggelassen und das Instrumentarium auf fünf Klarinetten erweitert, eine Hammondorgel, eine Gitarre, zwei Klaviere und ausreichend Schlagzeug dazugefügt, aber sonst nichts Grunds?tzliches ge?ndert. Alles übrige bewerkstelligte er durch die Kunst seiner Komposition. Sein Orchesterklang ist hell, fast grell, stets durchsichtig, manchmal dumpf, gelegentlich bet?rend sü? - und immer unverwechselbar Weill.
Zum Komponieren bediente er sich bei allem, was er um sich herum h?rte und was die Menschen seiner Epoche kannten und liebten. Dazu z?hlten M?rsche, die damals noch nicht mit dem Stigma des Faschismus belegt und einfach nur beliebt waren. Mit ihnen stellt er die harte Fronarbeit der israelitischen Bev?lkerung in ?gypten ebenso dar wie den Verdi-artig heiteren Schritt des israelitischen Volkes, als es endlich das gelobte Land in der Ferne sieht. Dazu geh?rten auch synagogale Melodien, die Weill von seinem Vater, dem jüdischen Kantor, her vertraut waren wie das ?Kol Nidrei“, mit dem er Mose die Gesetze verkündigen l?sst. Dazu z?hlten au?erdem der von Duke Ellington damals ganz neu kreierte ?Jungle Style“, den Weill mit drei Tom Toms und viel L?rm einsetzte, um den heidnischen Tanz des abtrünnigen israelitischen Volkes um das goldene Kalb darzustellen. Und schlie?lich knüpft Weill auch noch an die gro?e Tradition sinfonischer sp?tromantischer Musik an, etwa wenn er ein geradezu sinfonisches Leitmotiv aus einem aufsteigenden Dreiklang mit gro?er Sexte an der Spitze zuerst am Anfang des zweiten Aktes auftauchen l?sst, wo es für die Wolke steht, in der Mose auf dem heiligen Berg seinem Gott begegnet. Dasselbe Motiv l?sst er verwandelt am Ende des dritten Aktes, nun gespielt von Trompeten und Posaunen über vollem Orchesterklang, zurückkehren, als K?nig Salomo die Gotteserscheinung in der Wolke darum bittet, sich jetzt im neu gebauten Tempel in Jerusalem niederzulassen. Da klingt sogar Weill ein bisschen wie Mahler. Doch nur ein klein wenig, denn er hat all diese Elemente in seinen pers?nlichen Klang eingeschmolzen, den unverkennbar Weill’schen ?Melting Pot“.

“Ich stamme aus einer jüdischen Familie, die ihre deutsche Vergangenheit bis auf das Jahr 1340 zurückleiten kann“. Kurt Weill

“Ich habe immer das vollste Verst?ndnis dafür gehabt, dass die deutschen Nationalisten meine Musik als ?undeutsch’ bezeichneten“. Kurt Weill

Seminar, Einführungsvortrag und Rundfunk-Reportage

Als Beitrag zum interreligi?sen Dialog wie auch als Beitrag zur Besch?ftigung mit der Zeit von 1933 – 1945 passte das Werk in besonderer Weise zum Deutschen Evangelischen Kirchentag und gleichzeitig zur Universit?t Bremen, die in ihrem Institut für Religionswissenschaft und Religionsp?dagogik einen Schwerpunkt auf vergleichende Religionswissenschaft setzt. Die Aufführung wurde begleitet von einem Seminar des Instituts für Religionswissenschaft und Religionsp?dagogik unter Leitung von Dr. Sabine Offe, das das Programmheft geschrieben, eine Ausstellung im Foyer der Glocke gestaltet und einen ?ffentlichen Einführungsvortrag im Haus der Wissenschaft/Sandstr. in der Reihe ?Wissen um 11“ (Sonnabend, 16. Mai, 11 Uhr) gehalten hat. Unter dem Titel ?Und errichten will ich den ewigen Bund“ produzierte Hans-Peter Rai? /Radio Bremen eine Rundfunk-Reportage über Kurt Weill und den ?Weg der Verhei?ung“, die am Donnerstag, den 14. Mai von 20.05 – 22 Uhr auf Nordwestradio gesendet worden ist.

Programm, Ausführende, Konzertdaten und Dank

Ausführende

Orchester & Chor der Universit?t Bremen
Begrü?ung und Sprecherrolle: Bürgermeister a. D. Dr. Henning Scherf
Nadja Stefanoff/Mezzosopran
Mihai Zamfir & Christian-Andreas Engelhardt/Tenor
Jürgen Linn, Wolfgang von Borries, Nils Roese & Claus Ocker/Bariton
Leitung: Susanne Gl??

Sologeige und Konzertmeisterin: Iria R?der-Sorge
Solocello: Martin Kayser
Coaching Streichinstrumente: Reinhold Heise (Bremer Philharmoniker)
Coaching Holzblasinstrumente: Roland Früh (Bremer Philharmoniker)
Coaching Blechblasinstrumente: Wolfram Blum (Bremer Philharmoniker)
Coaching Schlaginstrumente: Marko Gartelmann (Bremer Philharmoniker)
Korrepetition Chorproben: Stefanie Adler

 

Konzerte

Zur Begrü?ung des 32. Deutschen Evangelischen Kirchentags vom 20. – 24. Mai 2009 konzertante Bremer Erstaufführung der mittleren beiden Akte ohne die Schauspiel-Einlagen der Originalfassung:
Akt II "Mose" (s?mtliche von Weill komponierte Musik der Szenen 17 – 23)
Akt III "Die K?nige" (s?mtliche von Weill komponierte Musik der Szenen 25 – 31, ausgelassen nur Szene 24 mit Material aus dem Buch Rut)

Bremen, Glocke/gro?er Saal, 19. Mai 2009, 20 Uhr

Dank

Die Universit?tsmusik dankt Radio Bremen für die Leihe der historischen Hammondorgel.

Die Aufführung wurde in Teilen gef?rdert durch
Kurt Weill Foundation for Music, Inc., 7 East 20th Street, New York NY 10003, und
Waldemar Koch Stiftung, Bremen.

Der Aufführung lag Notenmaterial des Schott-Verlages zu Grunde. Das Copyright liegt bei EAMC/New York.