Spotlight-Y-Digimath
Ausgangslage und Problemaufriss
Der ?bergang von der Schule in die Hochschule ist für viele Studierende der Mathematik schwierig, da ihr Charakter sich von allgemeinbildender und intuitionsorientierter Schulmathematik hin zu der deduktiv geordneten, formal abstrakten Fachwissenschaft Mathematik ?ndert. Nach dem Studium wird es als gro?e Herausforderung gesehen, das gelernte fachliche Wissen für den Schulunterricht zu nutzen.
In Bremen l?uft seit 2011 das Projekt BreMath, das durch einen Y-artigen Aufbau der Anfangsvorlesungen versucht, dem Problem des ersten ?bergangs zu begegnen. Dabei werden die Vorlesungen zun?chst in einem gemeinsamen Kurs für Vollfach- und Lehramtsstudium begonnen und trennen sich dann wie ein Y in je eine Veranstaltung für Vollfach und Lehramt. Daneben gibt es eine Vertiefungsveranstaltung für das Lehramt, die Verbindungen von Schul- und Hochschulmathematik explizit macht und Forschendes Lernen in Projektgruppen beinhaltet.
Spotlight-Y-Digimath bereitet den zweiten ?bergang, d. h. von der Universit?t in die Schule, vor. Durch Vernetzung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik im Master soll die fachliche Kompetenz für die Schule vertieft und die fachliche Identit?t der zukünftigen Lehrkr?fte gest?rkt werden, indem modellhaft das Anwenden von Fachwissen zur Konstruktion von Lernumgebungen für Schülerinnen und Schüler aus Leistungs- und guten Grundkursen eingesetzt wird. Dies ist für die Studierenden bedeutsam, da sie in ihren Praktika oder im Praxissemester meist in den unteren Jahrgangsstufen hospitieren oder eigenen Unterricht durchführen. Umgekehrt bearbeiten die Schülerinnen und Schüler Themen, die über die Schulmathematik hinaus gehen, und verschaffen sich einen Einblick in Themen, die in der Universit?t eine Rolle spielen. Konzentrierte sich Spotlight-Y in der ersten Projektphase auf h?here Mathematikvorlesungen (Funktionentheorie und Stochastik), werden nun auch Einführungsvorlesungen zu Beginn des Bachelorstudiums einbezogen, wodurch studienbegleitende Kontinuit?t hergestellt wird. Der Einsatz von e-Portfolios erleichtert dabei einerseits die Einbeziehung digitaler Lehr-Lern-Formate, dient andererseits aber auch den Kontinuit?tsabsichten.
Die Idee des Y-Modells wird in Spotlight-Y genutzt, um eine Fachvorlesung nach zwei Dritteln der Zeit in die beiden Y-Zweige aufzuteilen. Der Lehramtszweig bereitet durch professionsspezifisches Fachwissen in Kombination mit einer parallel laufenden Didaktikveranstaltung die Konstruktion von Lernumgebungen zum Inhalt der Vorlesung vor. Diese Lernumgebungen werden für Schülerinnen und Schüler entwickelt und mit ihnen an einem Tag für eXperimentelle Mathematik in der SII (XMaSII) eingesetzt.
Ebenso werden in 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 der ersten beiden Studienjahren (Lineare Algebra und Analysis) Materialien aus Schulbüchern in den Kontext der universit?ren Vorlesungen gesetzt, indem die Studierenden fachliche Zusammenh?nge aus dem universit?r erworbenen Kenntniszusammenhang kl?ren und vertiefen. Dadurch k?nnen die Studierenden die Relevanz der Inhalte der universit?ren fachlichen Lehrveranstaltungen und den Zusammenhang zur Schulmathematik einsch?tzen.
In e-Portfolios kl?ren und reflektieren die Studierenden fachwissenschaftliche und fachdidaktische Fragestellungen sowie die Rolle, in der sie sich selbst wahrnehmen.
- Aufbau einer reflexiven Handlungskompetenz bei Lehramtsstudierenden, die fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Wissen miteinander vernetzt
- Rekonstruktion von Vernetzungsstrategien, die Studierende nutzen
- Entwicklung von Heuristiken zur Vernetzung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik in der universit?ren Lehre
- Kl?rung, welche Rolle die Vernetzung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik für die Entwicklung der fachlichen Identit?t der Studierenden spielt
- Kl?rung, auf welche Weise der Einsatz von e-Portfolios die Vernetzung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik f?rdert und zu Relevanzerfahrungen der universit?ren Fachveranstaltungen führt
Aus dem ersten Projektdurchlauf haben wir Einsichten darüber gewonnen, wie einzelne Studierende das Gelernte aus der Fachdidaktik und der Fachwissenschaft zusammenbringen. Zun?chst scheint Fachwissen über Grundbegriffe der Funktionentheorie bereits nach kurzer Zeit leider nur noch rudiment?r verfügbar zu sein – im Gegensatz zu den Inhalten, die die Studierenden in ihrer Lernumgebung dargestellt haben. Das Zusammenbringen von fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Ideen geschieht au?erdem vielfach verdeckt: Mehrere Studierende benutzen zwar fachdidaktische Ideen, um ihre Lernumgebungen zu gestalten und zu beschreiben, ?u?ern jedoch umgekehrt, dass sie diese Ideen oft gar nicht explizit nutzen würden. In den 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 im ersten und zweiten Jahr zur Linearen Algebra und Analysis zeigte sich, dass die Nutzung von Schulbuchausschnitten für viele Studierende einen geeigneten Anlass darstellte, um zu reflektieren, welche fachlichen Inhalte aus den Vorlesungen explizit oder implizit im Schulstoff eine Rolle spielen
Explizite Strategien der Studierenden, um Fachwissenschaft und Fachdidaktik zu verzahnen, konnten beispielsweise festgestellt werden, wenn sich Studierende über Analogien zwischen ihren eigenen Lernerfahrungen (in der eigenen Schulzeit oder jetzt an der Universit?t) und denen ihrer zukünftigen Schülerinnen und Schülern bewusst werden. Eine Studentin verglich dazu die Erweiterung von den reellen zu den komplexen Zahlen mit den Zahlbereichserweiterungen in der Schule. Genauso tritt Vernetzung auf, wenn Studierende den ?fachlichen Kern“ eines Inhaltes in der Tiefe durchdringen, um ihn dann für Schülerinnen und Schüler zug?nglich zu machen. Dabei nutzen sie vertieftes Fachwissen vom h?heren Standpunkt, das sie in der Mathematikvorlesung erworben haben und nun authentisch und mathematisch integer für Schülerinnen und Schüler greifbar machen.
Nahezu alle Studierenden, die am Projekt teilgenommen haben, betonen, dass die Praxiserfahrung für sie von gro?er Bedeutung ist, da sie nicht nur Material für eine unbekannte Lerngruppe erstellen, sondern auch konkret umsetzen. Das Projekt Spotlight-Y begegnet also dem Bedürfnis der Studierenden nach konkreter Praxiserfahrung aus der Fachwissenschaft heraus. Die Studierenden k?nnen dadurch ihr eigenes Lehrerhandeln au?erhalb von Schulpraktika reflektieren, um daraus für die Zukunft zu lernen.
Arbeitstitel: Vorstellungen und Konzeptgebrauch von komplexer Differenzierbarkeit, Holomorphie und komplexer Wegintegration.
Stoffdidaktische Auseinandersetzung mit Grundbegriffen der Funktionentheorie und Rekonstruktion fachlicher Reflexion durch kommunikative Abbilder von Vorstellungen bei Expert*innen und Noviz*innen
Ausgangslage: In der Schulmathematik geht man von mathematischen Ph?nomenen aus, mit denen dann ad?quate mathematische Vorstellungen bei Schülerinnen und Schülern ausgebildet und weiterentwickelt werden. Damit angehende Mathematiklehrkr?fte in ihrem sp?teren Beruf mit Vorstellungen arbeiten k?nnen, müssen sie sich ihrer eigenen fachlichen Vorstellungen bewusst sein, unterschiedliche fachliche Vorstellungen zu Fachinhalten kennen und diese auch selbst aufgebaut haben und weiter ausbauen. Als Reflective Practitioner im Sinne Donald Sch?ns sollten dann Vorstellungen zu fachlichen Konzepten bei Mathematiklehrkr?ften durch Reflexionen zug?nglich sein, um auf dieser Basis Schülerhandeln besser antizipieren und interpretieren zu k?nnen.
Relevanz für Spotlight-Y: Diese Arbeit an den eigenen fachwissenschaftlichen Vorstellungen wird im Projekt Spotlight-Y relevant, n?mlich dann, wenn die Studierenden Ph?nomene aus der Funktionentheorie für Schülerinnen und Schüler aus Leistungskursen aufbereiten und dadurch mit fachdidaktischen Wissen z. B. zur Aufgabenkonstruktion vernetzen. In der Funktionentheorie kommt man recht schnell zu überraschenden Ergebnissen, die man als Ph?nomen identifizieren k?nnte. Ferner vereint die Funktionentheorie Inhalte vieler anderer mathematischer Disziplinen und erm?glicht so aus mathematischer Perspektive viele Blickwinkel auf ihre Inhalte.
Problemlage: Unsere ersten Erfahrungen weisen jedoch darauf hin, dass diese Vernetzung zwischen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Konzepten selbst in einfachen F?llen (wie z. B. bei der ?bertragung der geometrischen Interpretation der komplexen Ableitung in eine geometrische Interpretation für die reelle Ableitung in der Schule) eine echte Herausforderung für Studierende darstellt, die nur zum Teil überwunden werden kann. Daraus leiten wir die Hypothese ab, dass die notwendigen fachwissenschaftlichen Vorstellungen zu Inhalten der Funktionentheorie in einigen F?llen Formen annehmen müssen, die sehr weit von den konkreten Vorstellungen, die Studierende in der Vorlesung entwickeln, entfernt sind. Genau diese Problemlage adressiert das Promotionsprojekt.
Umsetzung: Das Promotionsprojekt rekonstruiert in einer Multi-Case-Studie Expertenvorstellungen zu zentralen Konzepten der Funktionentheorie, bündelt diese zu typischen Fachvorstellungen und extrahiert daraus kennzeichnende Merkmale. Diese Fachvorstellungen werden dann als Lernhorizonte genutzt, um studentische Vorstellungen daran zu messen und so besser zu verstehen, welchen Herausforderungen Studierende begegnen, wenn sie fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Wissen im Denken und Handeln vernetzen sollen. Darüber hinaus sind diese Lernhorizonte auch hochschuldidaktisch von grundlegender Bedeutung: Sind diese erst einmal identifiziert und charakterisiert, k?nnen sie auch expliziter als bislang in den Vorlesungen zur Funktionentheorie adressiert werden.